Freundschaft mit Kunden?

Die Genossenschaft: früher Kunden, jetzt beste Freundes-Clique ever!


Als Theaterpädagogin arbeite ich in einem sehr sozialen Beruf. Da meine Zielgruppe Erwachsene sind, findet die Arbeit meist auf einem lockeren Level statt.

Man spielt gemeinsam, macht Witze, hat Spaß und plant gemeinsame Projekte. So entsteht schnell Sympathie und ein Gruppengefühl.
Dieses Gruppengefühl ist wichtig, um das gemeinsame Projekt – ein Theaterstück – auf die Beine stellen zu können.

Doch Gruppengefühl bedeutet nicht immer gleich Freundschaft.
Aber manchmal eben doch ...

Leider gibt es für Freundschaft keine eindeutige Definition, was sie zu einem schwer zu fassenden Thema macht.
Manch einer sieht seinen Arbeitskollegen als Freund, weil man mittags zusammen in der Kantine isst. Ein anderer würde diesen Kollegen noch nicht einmal als Bekannten bezeichnen.

Das Google Wörterbuch sagt über Freundschaft:

"1. eine Beziehung zwischen Menschen, die auf gegenseitiger vertrauensvoller Zuneigung beruht."

Wenn ich Wikipedia nach einer Definition frage, erhalte ich folgende Antwort:

"Freundschaft bezeichnet ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet. Eine in einer freundschaftlichen Beziehung stehende Person bezeichnet man als Freund oder Freundin. Freundschaften haben eine herausragende Bedeutung für Menschen und Gesellschaften. Schon antike Philosophen wie Aristoteles und Cicero haben sich mit der Freundschaft auseinandergesetzt."

Der Grundstein einer Freundschaft ist zweifelsohne Sympathie. Mit jemandem, den ich nicht leiden kann, möchte ich auch nicht befreundet sein.
Sympathie entsteht durch Gemeinsamkeiten: je ähnlicher uns ein Mensch ist und je mehr Interessen und Werte uns miteinander verbinden, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir miteinander befreundet sein wollen.
Mit einer Person, die uns ähnlich ist, verbringen wir gern Zeit.

Andere Personen, die uns nicht so nahe stehen, bezeichnen wir eher als Bekannte. Bekannte müssen uns nicht sonderlich sympathisch sein, aber man kennt die Person eben und weiß ein bißchen etwas über sie.
Bekannte im beruflichen oder schulischen Umfeld, werden meist als Kollegen, Kommilitonen, Mitschüler o.ä. bezeichnen.

Diese Definitionen sind leider recht allgemein. Genau das ist das Problem: Freundschaft definiert jeder für sich selbst.

Ich bin dann mit jemandem befreundet, wenn folgende Punkte erfüllt sind:
  • Für mich ist jemand ein Freund, den ich wirklich sehr gern habe. Dafür spielt Körperchemie eine wichtige Rolle, eine gewisse "Anziehung" muss da sein, wir müssen uns also "gut riechen können".
  • Ich muss gern mit der Person Zeit verbringen und wir müssen auf jeden Fall einen ähnlichen Humor haben. Die gemeinsame Zeit soll für beide ein Gewinn sein – an Spaß, an neuen Erkenntnissen, an Austausch, an Trost, an gemeinsam Erschaffenem.
  • Ich muss an dem anderen interessiert sein und er an mir – und das auch zeigen.
  • Ich muss dem anderen vertrauen können und er mir.
  • Hinzu kommt die gemeinsame Wellenlänge. Die entsteht dann, wenn ich mit dem anderen ein entspanntes Status-Spiel spielen kann. Die Voraussetzung dafür ist, dass keiner den anderen als Bedrohung sieht und gern bereit ist, im Status zu wechseln, wenn man miteinander kommuniziert.
Wenn alle diese Punkte zutreffen, entscheide ich für mich, ob ich den anderen als Freund sehe. Wie der andere unsere Beziehung definiert, weiß ich dann noch nicht unbedingt, aber das merkt man dann irgendwann schon oder es wird mal ausgesprochen. Oder man fragt einfach nach.

Im Laufe meines Lebens sind einige Freunde gekommen und gegangen. Manchmal hat es nur für eine bestimmte Lebensphase gepasst, manchmal deutlich länger.
In den letzten Jahren sind neue Freunde in meinem Leben dazugekommen, über die ich mich wahnsinnig freue. Ein paar davon sind oder waren Kunden von mir.

Aber kann das funktionieren? Freundschaft mit Kunden?
Ja, es kann. Es funktioniert dann, wenn beide Seiten zwischen Geschäftsperson und Privatmensch trennen können.
Die Freunde, die auch meine Kunden sind, können meine Arbeit wertschätzen und wissen, dass ich Dienstleistungen, die meine Arbeit betreffen, nicht verschenken kann. Und – und das finde ich das wichtigste – sie wollen das auch gar nicht.
Da meine Arbeit möglichst basisdemokratisch stattfindet, kann und will ich in Proben und Workshops niemanden anders oder bevorzugt behandeln, nur weil wir befreundet sind. Jeder Teilnehmer hat die gleichen Rechte und Pflichten und den gleichen Stellenwert.

Ich bemühe mich, sorgsam mit meinen Kunden-Freundschaften umzugehen, besonders bei der Arbeit. Nicht ständig private Anspielungen machen, nicht klüngeln, keine Insider-Witze (wenn man sie nicht auch für alle erklärt).
Das funktioniert bis jetzt ziemlich gut.

Schwieriger kann es sein, sich abzugrenzen, wenn Teilnehmer, mit denen ich nicht befreundet bin, mein offenes und lockeres Verhalten als Freundschaft interpretieren. Oder vielleicht selbst eine andere Freundschaftsdefinition haben und den Kontakt als viel enger empfinden als ich.
Auch diese Momente gab es und dann muss ich ehrlich sagen, wie ich den Status sehe und mich gegebenenfalls stärker abgrenzen.

Im Laufe der Jahre habe ich verschiedene Fehler in meiner Arbeit gemacht, die viel mit Distanz und Nähe und meiner Einstellung zu tun hatten. Nachlesen könnt ihr sie hier:

Aber gleichzeitig habe ich es irgendwann geschafft, dass sich aus manchen Kundenbeziehungen ganz wunderbare Freundschaften entwickeln. Theater bringt eben Menschen zusammen, auf einem sehr persönlichen Level. Und dafür bin ich dankbar!

Wenn ihr also mit Freundschaften zu euren Kunden hadert: Probiert es aus!
Es kann zwar schiefgehen, aber ihr könnt unglaublich viel gewinnen!

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