Mittwoch, 31. Mai 2017

"Der Mann, der Liberty Valance erschoss" - Maxim Gorki Theater Berlin


Bildquelle & Copyright: http://www.gorki.de






Als mein erster Gruppendrang-Kurs sich nach den erfolgreichen Titus-Andronicus-Aufführungen zum Abschlussessen und Feedback traf, überraschten sie mich mit sehr tollen Abschiedsgeschenken: einer bedruckten Tasse mit einem Foto der Inszenierung, einem Blumensträußchen und einem Gutschein für´s Maxim Gorki Theater.
Der Gutschein hing in der alten Wohnung eine Weile über meinem Schreibtisch und verschwand dann beim Umzug in meinen Unterlagen. Nach fast einem Jahr in meiner neuen Wohnung kramte ich ihn wieder hervor, um ihn endlich einzulösen. Ich gönnte mir einen Platz in der ersten Reihe und wie beim "Feuerschiff" fiel die Wahl des Stückes extrem einfach: ich brauchte nur das Wort "Western" lesen und die Sache war geritzt.

Seit einiger Zeit war ich nun endlich mal wieder im Maxim Gorki Theater. Schon das Bühnenbild sprach mich an, 50er-Jahre Reklame-Schilder einer Westernstadt kündigten wunderbares an und ergaben mit den weiteren Holzbauten hinter dem eisernen Vorhang die klassische Straßenflucht des Wüstenortes Two Trees.

Optisch war ich sofort überzeugt und auch inhaltlich komplett befriedigt: wo Western draufsteht, ist auch Western drin.
Mit "Der Mann, der Liberty Valance" erschoss, hat Regisseur Hakan Savaş Mican einen späten Western auf die Bühne gezaubert. Ich kenne das Buch und dessen Verfilmung nicht, aber dieser Bühnenwestern hat mich gleich gepackt. Die Schauspieler hatten Freude an diesen "Typen", dem typischen Cowboy, dem Anwalt aus der Stadt, der toughen jungen Wirtin, dem versoffenen Journalisten, dem knurrigen Sheriff und dem kalten Bösewicht.

Die übergeordnete Thematik - der freiheitsliebende, in seinem Umfeld perfekt zurechtkommende, anarchische Liberty Valance gegen den jungen, gesetzestreuen Stadtmenschen Ransom. Der eine bevorzugt das System der Naturgesetze, der andere das der politischen Verfassung. Ihr bevorzugtes System ist das für sie als Individuum passendere. Aber was sagen die anderen Bewohner des Städtchens dazu? Wie sollen sie überhaupt - als "Abgehängte" - mit dem Fortschritt der Städte mithalten? Der Städte, von denen sie nichts mitkriegen, die aber auch nicht ihrer Lebensrealität, ihren Alltagssorgen und ihrer Lebensweise entsprechen.

So schwebt über allen die Frage: wollen sie "Liberty" oder "Freedom"?


Freitag, 26. Mai 2017

Zuneigung - Blogreihe #wertekatalog

Es ist Value-Friday und es geht weiter mit der Blogreihe #wertekatalog,

Der sechsundfünzigste Wert ist:


ZUNEIGUNG

der Duden sagt:
deutlich empfundenes Gefühl, jemanden, etwas zu mögen, gernzuhaben; Sympathie [...] (http://www.duden.de/rechtschreibung/Zuneigung)

Zuneigung als Wert finde ich interessant. Aber ich weiß nicht, ob damit die Zuneigung zu anderen Menschen oder deren Zuneigung zu einem selbst gemeint ist. Beides sind natürlich berechtigte Wünsche und beides zusammen ist ein wichtiger Bestandteil eines glücklichen Lebens.

Zuneigung ist etwas wunderbares und wir empfinden sie manchmal schnell und manchmal zögerlich. Je jünger wir sind, desto schneller empfinden wir Zuneigung für eine andere Person und desto süchtiger sind wir nach Zuneigung, die uns von anderen entgegengebracht wird.

Mit zunehmendem Alter dauert das mit der Zuneigung länger. Unsere Erfahrungen lassen uns vorsichtiger werden und wir werten fremde Menschen schneller ab, finden sie unsympathisch. Wir projizieren unsere Erfahrungen auf neue Bekanntschaften - manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht.

Aber was passiert, wenn wir auf fremde Menschen treffen? Wenn wir viel Zeit mit ihnen verbringen müssen. Kann Zuneigung wachsen?

Ja, sie kann. In meiner Arbeit muss ich Gruppen "händeln". Diese Gruppen müssen sich zusammenraufen und gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Für dieses Ziel sind gegenseitiges Vertrauen und ein offener Austausch miteinander wichtig. Sympathie bzw. Zuneigung ist dabei ein wichtiger Bestandteil.

Natürlich entsteht Zuneigung zum großen Teil auf einer körperlich-biologischen Ebene, aber sie entsteht auch über Gemeinsamkeiten. Mag mein Gegenüber die gleiche Serie wie ich, erhält er gleich Pluspunkte, das gleiche gilt für Hobbies, Musik und Essen.
Wir wollen von unserem Gegenüber wissen, wie gut er/sie in unsere "Gruppe" passt, die wir im Leben um uns versammeln. Je ähnlicher unser Geschmack und unsere Interessen sind, desto schneller wächst unsere Zuneigung zur entsprechenden Person.
Ein intensiver Austausch über die eigenen Ansichten und Interessen ist für das Wachsen von Zuneigung also essentiell und braucht bei Erwachsenen deutlich mehr als die gemeinsame Lieblingsband.

Eine der stärksten und zusammenschweißendsten Gemeinsamkeiten ist Humor. Wenn wir gemeinsam lachen, zeigen wir einander Schwäche und öffnen uns. Wir gehen beim Lachen und gemeinsamen Witzeln spielerisch und leicht mit Status um, wir nehmen uns selbst nicht so ernst.
Und die Zuneigung, die wir dabei füreinander empfinden, strahlen wir auch aus. Bei einem Auftritt sogar bis ins Publikum.
Mit Humor und Lachen öffnen wir die Herzen der Zuschauer. Sie freuen sich an unserer Darbietung und sind bereit uns das mit einem Lachen zu zeigen.
Dieses Lachen ist eine Weile der Zuneigung, die den Schauspieler auf der Bühne trägt. Wie ein Surfer kann er auf dieser Welle reiten, sich von ihr tragen lassen und aus ihr neue Kraft schenken. Um sie dem Publikum zurückzugeben.

Zuneigung durch Gemeinsamkeiten ist für uns elementar, die durch Freude und Witz schweißt uns noch enger zusammen. Deshalb ist mir Humor und Raum für Spaß in meiner Arbeit wahnsinnig wichtig. Das Leben ist oft ernst und anstrengend und ich möchte einen Raum für mehr Freude, Spaß und Spiel schaffen - und somit auch für mehr Zuneigung.

So wie David Hume es beschreibt:



Foto: "Gerüchte, Gerüchte", Theatergruppe Spielschauer: https://www.facebook.com/spielschauer

Mittwoch, 24. Mai 2017

#monthlyfavourites - Mai-Lieblinge




Es ist wieder Zeit für die Lieblinge des aktuellen Monats - die #monthlyfavourites im April! 




Zum Arbeiten


Ich bin schon immer ein großer Overall-Fan gewesen und freue mich, dass jetzt mittlerweile endlich eine große Auswahl im Handel erhältlich ist, die mir auch passt.
Von Promod gibt es nun 3 neue Overalls bei mir im Schrank, die ich sogleich zur Arbeitsuniform auserkoren habe. Ein einfaches und wahnsinnig praktisches Kleidungsstück, das alles mitmacht ... besonders in der robusten Jeans-Variante.

Mein zweiter ständiger Begleiter im April sind meine Mini-Flyer. Vor wenigen Jahren bin ich für meine Veranstaltungen auf kleine Flyer im Visitenformat umgestiegen. Sie sind günstiger als die großen und man kann sie ganz einfach im Portemonnaie transportieren.



 
Zum Aufhübschen


Mein Mann hat sich eine Nähmaschine gekauft und mir dieses tolle Stirnband genäht. Es wurde schon einmal ausgeführt und passt super zu meiner aktuellen Haarlänge.
Das Armbändchen mit den kleinen Elefanten hat mir mein Bruder aus Thailand mitgebracht. Zusammen mit dem knallorangen Nagellack aus der letzten Glossybox und den selbstgebastelten Leder-Ohrsteckern in Monstera-Form ist das tropische Sommeroutfit komplett.



Zum Lesen


Auf die Leseliste haben es diesen Monat zwei Bücher geschafft, die ich schon seit etlichen Jahren im Schrank habe. Die Katzenbedienungsanleitung "Die Katze" ist leider inhaltlich etwas veraltet und enthält Tipps, die nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand entsprechen.
Dennoch sind einige nützliche Informationen drin und ich habe viel darin geblättert, da wir diesen Monat Katzenzuwachs bekommen haben.

"Yoga im Bett" ist ein schönes Übungsbuch voller entspannender Yogapositionen, die man perfekt morgens nach dem Aufwachen oder abends vor dem Schlafengehen machen kann.



Zum Essen


Letzten Monat huldigte ich der Tardis-Keksdose, diesen Monat wird es - passend zum Wetterumschwung - Eiswürfel in Tardis- und Dalek-Form geben. Die Eiswürfelform ist ein Überraschungsgeschenk meines Mannes.
In der Biobox unseres Vertrauens sind momentan sehr oft Birnen und deshalb stehen sie auf dem täglichen Speiseplan.
Magic Gum habe ich als Kind gern gegessen und konnte letztens im Laden nicht daran vorbeigehen. Dieses lustige Knistern im Mund ist einfach genial!



Zum Stöbern

Lydia vom Blog Bueronymus muss leider gerade durchmachen, was bei mir auch das Thema der letzten Monate war. Als Erinnerung an ihren Kater hat sie einen schönen und wahren Artikel über die Dinge, die wir von Katzen lernen können, geschrieben:
https://bueronymus.wordpress.com/2017/05/10/10-dinge-die-wir-von-katzen-lernen-koennen/

Ebenfalls interessant: ihr Kurzüberblick über die Geschichte der Arbeit! Klick!

Und passend dazu bin ich über eine erschütternde und berührenden Geschichte über eine Sklavin im Amerika der letzten Jahrzehnte gestolpert. Der Artikel ist lang, aber sehr, sehr lesenswert:
Lolas Story



Zum Hören

Schon zweimal war ich bei lokalen MeetUps des Netzwerkes "intrinsify.me", das sich mit New Work beschäftigt. Die beiden Gründer des Netzwerkes stellen regelmäßig Podcasts online, in einem erzählen sie, wie sie das Netzwerk leiten: Klick!



Zum Anschauen

Endlich war ich mal wieder im Kino: in "Ghost in the Shell" mit der wunderbaren Scarlett Johansson. Sehr empfehlenswert!





Auf Netflix gibt es endlich eine neue Staffel "Sense8" - wie auch die erste Staffel absolut grandios! Eine Serie, die mich dank des fantastischen internationalen Casts sofort begeistert hat:





Ebenfalls auf Netflix findet sich dieses Juwel:





"We´ve been around" ist eine Videoserie über Transgender-Personen in der Historie. Der perfekte Link für alle, die behaupten, dass der ganze "Genderwahn" ein "Trend" sei. Hier eines der Videos, den Rest der Reihe findet ihr auf Youtube und hier: We´ve been around






Freitag, 19. Mai 2017

Dankbarkeit - Blogreihe #wertekatalog

Es ist Value-Friday und es geht weiter mit der Blogreihe #wertekatalog,

Der fünfundfünzigste Wert ist:


DANKBARKEIT

Wikipedia sagt:
Dankbarkeit ist ein positives Gefühl oder eine Haltung in Anerkennung einer materiellen oder immateriellen Zuwendung, die man erhalten hat oder erhalten wird. Man kann dem Göttlichen, den Menschen oder sogar dem Sein gegenüber dankbar sein, oder allen zugleich. [...] (https://de.wikipedia.org/wiki/Dankbarkeit)

Dankbarkeit ist komischerweise ein Begriff, der in meinen Ohren oft einen abschreckenden Beiklang hat. Das liegt daran, dass Dankbarkeit gern gefordert wird.
Im Internet wird in vielen Kommentaren oder Online-Foren zu allen möglichen Themen mit der Forderung nach Dankbarkeit um sich geschmissen. Am liebsten begleitet mit der genauso vehementen Forderung nach Demut.
Egal, ob es um Flüchtlinge, Arbeitslose, Arbeithabende, Alleinerziehende, Familien, Kinder, Feministen, Frauen, Männer, Menschen oder ... geht: es sollen doch bitte alle erstmal dankbar sein.

Auch ich finde, dass die Fähigkeit zur Dankbarkeit eine wichtige ist. Wenn wir aus tiefem Herzen dankbar sein können, zeigen wir Größe und Selbstbewusstsein.

Aber Dankbarkeit ist kein Automatismus. Um dankbar zu sein, muss man etwas erhalten, was einem einen Dank wert ist. Das kann Aufmerksamkeit, Zuneigung, Lob, Anerkennung, materielle Geschenke oder Zeit sein.

Die nächste Frage ist: wem gegenüber bin ich dankbar? Wer hat mir etwas ermöglicht? Zu oft habe ich den Eindruck, man solle einem "Schicksal" oder irgendeiner "übergeordneten Kraft" dankbar sein, wenn doch die eigentliche Person, die die Voraussetzungen für den Wert / das Geschenk / die Leistung geschaffen hat, wir selbst sind.
Warum sollen wir uns bei einem diffusen, fremden Äußeren für etwas bedanken, was wir uns selbst zu verdanken haben?
Das eigentlich angemessenere Gefühl wäre Stolz: auf sich sich selbst, das eigene Verhalten, die eigene Leistung, die eigene Fantasie, die eigene Kreativität, die eigene Kraft, das eigene Engagement.

Aber Stolz ist nicht gern gesehen. Vor allen Dingen nicht Stolz auf sich selbst. Auf die Kinder darf man stolz sein, auf den Partner auch. Vielleicht auch auf die eigenen Eltern. Aber auf sich selbst? Das wird schnell als Arroganz abgetan, es gehört sich nicht.
Wer auf sich selbst stolz ist, hebt seinen Status. Wer dankbar ist, erniedrigt ihn. Beides ist absolut legitim, aber wird oft miteinander vertauscht.



Wenn wir etwas aus eigener Kraft schaffen, dürfen wir uns selbst danken.
Dankbarkeit, die uns entgegengebracht wird, ist dabei das Futter, dass die Dankbarkeit uns selbst gegenüber nährt. Wir brauchen unseren gegenseitigen Dank, um weiterhin schaffend und auf soziale Weise füreinander tätig zu sein.
Diesen Dank, wenn er empfunden wird, dem Gegenüber so auszudrücken, dass es bei ihm ankommt, ist eine wichtige Aufgabe, der wir uns mit Freude widmen sollten, ohne Scham. Egal, ob der Dank einem anderen oder uns selbst gilt. Um das zu differenzieren, müssen wir uns nur die Mühe machen, genau hinzugucken.

Einander danken ist etwas wunderbares ... wir dürfen dabei nur uns selbst nicht vergessen.


Ein schöner Satz dazu stammt von Ernst R. Hauschka:

Foto: "Wer zuletzt lacht", Theatergruppe GROBKOST: https://www.facebook.com/grobkost/

Freitag, 12. Mai 2017

Stabilität - Blogreihe #wertekatalog

Es ist Value-Friday und es geht weiter mit der Blogreihe #wertekatalog,

Der vierundfünzigste Wert ist:


STABILITÄT

Wikipedia sagt:
Emotionale Stabilität ist im Gegensatz zur emotionalen Labilität die ausgeprägte Fähigkeit zur Kontrolle der eigenen Emotionen. Emotional stabile Personen zeigen ausgeglichene und wenig sprunghafte emotionale Reaktionen sowie die Fähigkeit zur raschen Überwindung von Misserfolgen und Rückschlägen. [...] (https://de.wikipedia.org/wiki/Emotionale_Stabilität)

Wenn es um emotionale Stabilität geht, bin ich wohl der Master. Ich vermute aber, dass ich wahrscheinlich einfach nur einen zu geringen Blutdruck habe. Oder zu wenig Adrenalinproduktion.

Über positives Feedback von Kunden freue ich mich immer sehr und stelle fest, dass am meisten meine Ausgeglichenheit gelobt wird. Und ja, man braucht einen kühlen Kopf in diesem wuseligen Job. In der Teamführung, die so viele verschiedene Ideen aufeinanderprallen lässt.
Das lustige ist: je aufgeregter die Teilnehmer meiner Kurse sind, desto ruhiger werde ich. Ich nehme automatisch den Gegenpol ein und lausche den vielen Ideen und Worten, die um mich fliegen.

Gestern abend war wieder Probe mit der Gruppe Vorspiel. Wir haben ihr neues Stück "Der Sturm" von William Shakespeare zu Ende gelesen und ich fragte nach ihren Gedanken und ersten Eindrücken. Erst waren alle zögerlich, einige moserten an dem komischen Ende rum und plötzlich hatte einer eine Idee, wie es stattdessen enden könnte bzw. wie man das Ende noch ergänzen könnte. Und ab der Sekunde startete ein wirklicher Sturm an Ideen, die jeder in die Runde warf. Ich fand es toll, diese freigesetzte kreative Energie im Raum zu spüren und belustigt den absurdesten Einfällen zu lauschen. Als ich dann selbst nicht mehr folgen konnte und kaum noch einer Gelegenheit hatte einen Satz auszusprechen, musste ich anfangen, die Runde ein bißchen zu moderieren.
Solch einen Sturm auszuhalten, erfordert Stabilität. Und auch wenn eine gewisse Ausgeglichenheit angeboren ist, braucht diese Stabilität Übung.
Denn Stabilität heißt nicht nur, dass sie nach außen stabil wirkt, sondern dass sie es im Inneren tatsächlich ist.

Als ich vor neun Jahren in meiner Freizeit mit der Theatergruppe Berlin startete, war von dieser inneren Stabilität noch nicht viel zu merken. Redeten alle durcheinander oder hatten - der absolute Horror - andere Ideen als ich, habe ich innerlich am Rad gedreht. Ich habe es mir nicht anmerken lassen, aber ich hatte nicht die entspannte Haltung, dass schon alles gut werden wird. Wenn meine Ideen abgelehnt wurden, hatte ich Angst, mir entgleitet alles. Ich begann hintenrum zu manipulieren und Strippen zu ziehen, unfair zu sein und zu tricksen. Alles aus der Angst heraus, die Kontrolle zu verlieren. Die nächsten Jahre waren dann ein langer Lernprozess und sind es noch immer.

Heute, neun Jahre und 26 Inszenierungen später weiß ich: es wird immer alles gut - egal wie es ausgeht.
Denn ich kann an dem, was gerade ist, nichts ändern. Aber ich kann Weichen für die Zukunft stellen und bin jederzeit frei, in eine andere Richtung zu gehen.


Arthur Schopenhauer drückt es ganz simpel aus:


Foto: "Leonce und Lena", Theatergruppe Vorspiel: https://www.facebook.com/TheatergruppeVorspiel

Freitag, 5. Mai 2017

Aufregung - Blogreihe #wertekatalog

Es ist Value-Friday und es geht weiter mit der Blogreihe #wertekatalog,

Der dreiundfünzigste Wert ist:


AUFREGUNG

Wiktionary sagt:
Gefühl der Anspannung und Unruhe [...] (https://de.wiktionary.org/wiki/Aufregung)

Wie viele Menschen nennen Aufregung als wichtigen Wert im Leben? Vermutlich diejenigen, die eher abwechslungsliebende Persönlichkeitstypen sind. Aufregung ist ein Wert, der aber eigentlich für jeden von uns wichtig ist ... doch für jeden in anderem Maße.

Aufregung heißt Unruhe. Unruhe ist die Ausgangsbasis für eine neue Handlung. Wenn wir nicht in unserer inneren Ruhe sind, dann wollen wir etwas tun, um sie wieder herzustellen. Wir wollen etwas herstellen, was für uns ein angenehmer Zustand ist.
Dieser angenehme Zustand ist aber bei den Menschen unterschiedlich. Manche fühlen sich am wohlsten, wenn sich nichts verändert. Andere brauchen stetige Veränderung als Wohlfühlfaktor.
In "Das Feuerschiff" sagt Caspary: "Es gibt auch Leute, die ein Verlangen nach Unsicherheit haben."

In jedem von uns stecken beide Sehnsüchte, die nach Sicherheit und Gewohnheit sowie die nach Aufregung und Abwechslung.
Aber es dauert oft lang bis wir genau benennen können, was uns fehlt. In der Regel fehlt uns genau das, was wir aktuell nicht haben (können). Sind wir gerade in einer Phase des Umbruchs, sehnen wir uns nach mehr Ruhe, nach Angekommensein. Die Aufregung ist dann in ihrer großen Masse fast erdrückend, sie überwältigt uns. Sind wir schon lange im gleichen Zustand, kitzelt uns der Wunsch nach Aufregung, nach etwas Neuem, was unsere Routine durchbricht.

Die schwerste Aufgabe ist, selbst aktiv einen Ausgleich zwischen Aufregung und Gewohnheit herzustellen. In stressigen Zeiten Gewohnheiten zu etablieren und in ruhigen Zeiten aktiv Aufregung zu suchen.
Wie machen wir das? Ohne Selbstdisziplin schaffen wir es nicht. Zu lange wurde uns das Gegenteil antrainiert, das Leiden unter den Umständen, das Kapitulieren unter dem, was da ist.
Änderungen - in beide Richtungen - brauchen Kraft.
Am einfachsten ist es, wenn wir uns von außen einen Zwang suchen, eine Person, Gruppe oder Institution, die uns regelmäßig zur Entspannung oder Aufregung zwingt.

Ich bin kein Sportmensch, weiß aber, dass mir Bewegung gut tut. Zu Hause raffe ich mich nicht auf, etwas zu tun, und wenn dann viel zu kurz. Ich weiß, dass ich Aufregung und Herausforderung brauche, aber in meinem gewohnten Umfeld tue ich nichts dafür.
Seitdem ich einmal in der Woche zum Rücken-Yoga-Kurs gehe, habe ich einen Zwang. Noch besser: mein Mann kommt mit und wir motivieren uns gegenseitig, wirklich hinzugehen.
Manchmal ist es entspannend, manchmal schweißtreibend und anstrengend. Dann gucke ich zwischendurch auf die Wanduhr und hoffe, dass die Stunde schnellstmöglich mit der Tiefenentspannung endet. Allerdings merke ich dgerade an diesen Tagen, dass mein Körper diese Anstrengung braucht.

In meinem Beruf als Theaterpädagogin realisierte ich im Laufe der Jahre, dass eine der Hauptaufgaben, die die Teilnehmer an mir schätzen, genau der Zwang ist: der Zwang zur Ruhe und der Zwang zur Aufregung, der Zwang zur Regelmäßigkeit und Gewohnheit sowie der Zwang zur Abwechslung und Herausforderung. Ich helfe, ihrem Leben genau die Elemente hinzuzufügen, die sie benötigen - und das in einem einzigen Kurs, an einem einzigen Termin.
Diejenigen, die einen Beruf haben, der mit viel Terminen, Aufregung und Stress verbunden ist, sehen den wöchentlichen Abendtermin als Pool der Entspannung, als angenehm-wohlige Gewohnheit, als ihre Clique zum Treibenlassen, ohne Druck.
Für die Homeworker, die nicht viel rauskommen, die viel allein sind, die einen ruhigen Job haben, die vielleicht auch das Rauskommen mit ängstlichen Gefühlen verbinden, ist der wöchentliche Probentermin die Portion Herausforderung, die Prise Aufregung, die sie zum Ausgleich brauchen.

Jeder von uns kennt beide Seiten des Lebens. Und so wunderbar ein regelmäßiger Rhythmus und das Angekommensein ist, so wichtig ist auch eine ordentliche Menge Aufregung im Leben.

William James sagt es wunderbar einfach:


Foto: "Suite Dreams", Theatergruppe Tiger Alien K(r)uh: https://www.facebook.com/tigeralienkruh