Corona-Theatertagebuch – Woche 120



Montag:

Vormittags ein Kennenlern-Treffen per Zoom für einen Auftrag als Gastdozentin. Das ist zwar erst im November, aber ich bin jetzt schon gespannt, denn ich werde mal ausprobieren, das Thema Digitale Theaterpädagogik analog zu unterrichten (mit Rechner am Start). Ist für mich eher die Notlösung, muss ich zugeben. Aber mir wird schon irgendwas einfallen.

Am Augenlid habe ich übrigens ein richtiges Veilchen von meinem Zusammenstoß mit der Tür. Aber die Farbe verändert sich langsam. Ich glaube, es dauert noch eine ganze Weile bis das weg ist.


Dienstag:

Morgens Schauspieltermin mit Nick, mit Impros und diesem Song:
https://youtu.be/E07s5ZYygMg

Nachmittags seit Ewigkeiten mal wieder B12-Spritze.


Mittwoch:

Heute gleich vormittags nach Berlin. Diese Woche geht's richtig ab: Aufführungen! Die ersten analogen Aufführungen der Vorspieler seit 2019! Das ist so crazy. Dass wir das noch erleben!


Nach Besuch bei meiner Oma dann abends Probe mit meiner Online-Gruppe und einer neuen Interessentin. Jetzt ganz doll Daumendrücken, dass sie mitmacht!



Donnerstag:

Ich bin erkältet aufgewacht und war schon wieder genervt von der Welt. Vermutlich der Stress und der eiskalte Regionalzug am Vortag.
Aber dafür kam mittags mein lieber Freund Michael aus dem fernen Nordrhein-Westfalen angedüst und nach einem Mittagessen im Garten ging es dann zur Generalprobe der Vorspieler. Michael hatte vor wenigen Jahren – da lebte er noch in Berlin – bei den Vorspielern und den Spielschauern schonmal die Technik gefahren. Als er meinte, er bräuchte mal wieder eine Auszeit vom Alltag, fragte ich, ob er Lust hätte auf eine Berlin-Reise mit Aufführungen und Technik. Und er hatte Lust!
Überraschung im Theater: Der Fundus-Schlüssel ist nicht da und wir können unseren ganzen Kram nicht aus dem Fundus holen. Nach viel Rumtelefoniererei wird er 45 min später zu uns gebracht.
Gemeinsam mit den Vorspielern wurde alles eingerichtet und aufgebaut, und ich schminkte und frisierte, was das Zeug hielt. Nach so langer Zeit ging das alles gar nicht mehr so schnell und leicht von der Hand – schon gar nicht erkältet. Aber sie sahen umwerfend aus und die Generalprobe lief so, wie eine Generalprobe laufen sollte – vergessene Requisiten und Texthänger inklusive.

Auf dem nächtlichen Rückweg war ich in der Bahn komplett erledigt. Alles tat mir weh und fragte mich, ob ich morgen entweder okay fit oder komplett krank bin.




Freitag:

Ich bin okay fit. Allerdings kommt ja ein Unglück selten allein, so dass ich nach dem Frühstück im Garten bemerkte, dass mein Knie leicht rot und angeschwollen war. Nach dem Einkauf der Premierengeschenke wurde es dann langsam stärker. Ich googelte wie blöde und vermutete eine Schleimbeutelentzündung (woher auch immer die kommen sollte).
Durch die Schwellung war es etwas unangenehm das Knie zu bewegen, aber ich kühlte am Vormittag und drückte mir selbst die Daumen, dass schon alles okay wird.
Nachmittags dann auf ins Theater zur Premiere. Die Vorspieler waren gehyped wie immer, die Stimmung vor den Aufführungen ist traditionellerweise nach der ersten Ich-ruh-mich-kurz-mal-aus-Phase ziemlich ausgelassen und laut.
Das Publikum war heute etwas verhalten in den Reaktionen, hat aber wahnsinnig viel und lange applaudiert. Die Vorspieler sind happy.

Diagnose der Ärztin im Vorspiel-Team sowie einer Arzthelferin aus dem Publikum sowie meiner Mutter: das am Knie ist vermutlich ein Insektenstich. Mit wurde Cetirizin empfohlen und Cortison-Salbe


Samstag:

Heute vormittags LAG mit dem Farbräume-Programm, die ich leider nicht mehr besichtigen konnte, weil ich nachmittags schon los musste ins Theater.

In der Apotheke habe ich mir Cortison-Salbe geholt und das Gefühl, dass es ein bißchen hilft.
Im Theater dann die Überraschung: eine Gruppe probt dort und hat alles von uns weggeräumt. Da gab es eine Fehlkommunikation. Passiert. Die andere Gruppe (in der lustigerweise ein Teilnehmer meines letzten Kurses mitspielt, der aber heute nicht bei der Probe war) ist sehr kooperativ und gemeinsam wird alles wieder zurück- und neu aufgebaut.
Wir werden trotzdem fertig und haben Freude an einer wunderbaren Warm-Up-Übung von Steffen, der vor wenigen Wochen bei den Vorspielern einsprang und mit viel Enthusiamus und Einsatzbereitschaft in ganz kurzer Zeit seinen Platz gefunden hat. Steffen war in der letzten Grundlagenbildung der LAG und ich bin sehr froh, dass ich genau ihn gefragt habe, ob er so spontan zwei Rollen übernehmen will.

Das heutige Publikum war trotz Hitze voll dabei, hat viel gelacht, jejohlt und gejubelt.
Nachts waren wir alle gemeinsam noch im Restaurant und haben die Derniere gefeiert.


Sonntag:

Nachts um 3 Uhr kamen Michael und ich im Haus meiner Mutter an, schliefen etwa 2 Stunden und dann saßen wir noch gemeinsam am sehr frühen Morgen im noch kalten Garten und blickten in den erwachenden Tag. Ich verabschiedete Michael, der wieder zurück in die Heimat fuhr, schlief nochmal 2 Stunden und am frühen Nachmittag fuhr auch wieder nach Rostock.

Im Zug hatte ich Zeit, das Wochenende sacken zu lassen und zu reflektieren.
Es war ein wilder Ritt. Die Vorspieler bedeuten mir sehr viel, denn sie sind meine langjährigste Gruppe, mit der ich gerade jetzt in den letzten Corona-Jahren – aber auch davor – durch so viele Phasen durchgegangen bin.
2019 stand die Gruppe das letzte Mal auf der Bühne, das ist jetzt 2,5 Jahre her. So lange hat es gedauert bis dieses Stück auf die Bühne kam.
Wir haben es geschafft.
Die Verbundenheit und Wertschätzung und Liebe innerhalb der Gruppe zu beobachten, hat mich sehr berührt. Da war dieses Wochenende ganz viel Freude und Glück zu spüren.
Und genau das ist doch das, was Theaterpädagogik erreichen möchte: Gemeinschaft schaffen, ein Miteinander, ein Raum zum Ausprobieren, zum Spaßhaben, zur Entwicklung.

Nach 2,5 Jahren wieder all das zu erleben, war ziemlich krass. Intensiv, belebend, beglückend – und ja, auch erschöpfend.

Wir werden diesen Sommer erstmalig eine Pause von mehreren Wochen haben, aber die Zeit nutzen, um uns online darüber auszutauschen, wie wir das nächste Projekt probentechnisch gestalten wollen. Es wird neue Strukturen geben und ich kann es kaum erwarten, gemeinsam in das nächste Stück zu starten.


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