Corona-Theatertagebuch – Woche 99


Montag:

Wie es im Krankenhaus war? Schlimm. Für mich persönlich einfach sehr schlimm. Das Personal war sehr freundlich und liebevoll, die Mitpatientinnen nett, die Anteilnahme aneinander groß. Dennoch war es für mich schlimm. Ich wurde vorgewarnt, dass es emotional sehr anstrengend wird. Ich habe das gehört, abgespeichert, aber wusste nicht genau, was damit gemeint ist.
Jetzt weiß ich es. Als Person, die vorher noch nie Heimweh hatte, weiß ich jetzt, was Heimweh bedeutet. Ich habe mich noch nie so einsam und verloren gefühlt. Wie ein kleines Kind lag ich am Tag nach der OP abends im Krankenhaus-Bett und habe leise geweint. So sehr wollte ich nach Hause zu meinem Mann. Zu meinen Tieren, in meine eigene Wohnung. Aufgrund der Pandemie durfte man keinerlei Besuch empfangen, was es natürlich noch einsamer gemacht. Ich war nur zwei Nächte bzw. 2,5 Tage dort. Wie schlimm ist es erst, wenn man deutlich länger dort ist?
Gleichzeitig war und ist es natürlich körperlich anstrengend. Wenn man Arzt- und Spritzenphobie und generell Phobie vor Schnitten und Dingen, die in den Körper reingesteckt werden, hat, ist das eine extreme Herausforderung. Warum ich noch kein Bundestverdienstkreuz bekommen habe, ist mir ein Rätsel.

Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich es geschafft habe. Aber auch müde, erschöpft und gedanklich mit der Tatsache beschäftigt, dass ich schon immer eine chronische Erkrankung habe, von der ich bisher nichts wusste. Endometriose. Erst jetzt hat sie so starke Beschwerden verursacht, dass ich das beim Arzt untersuchen ließ. Ich weiß nicht, ob diese OP reichen wird oder ob ich sie irgendwann wiederholen lassen muss. Wir werden sehen. Wenn zweiteres der Fall ist, bitte nicht so schnell.

Ansonsten geht es mir jeden Tag ein bißchen besser. Lange sitzen kann ich noch nicht so gut, deshalb liege ich tagsüber viel, mache aber auch immer einen kleinen Spaziergang. Die drei kleinen Narben am Bauch jucken, was zwischendurch ganz schön nervt. Ich weiß, das heißt, sie heilen. Am Mittwoch werden die Fäden gezogen.
Ich habe mir eine Chillout-Area in meinem Arbeitszimmer eingerichtet. Wenn ich selbst gerade nicht dort liege, wird sie sofort von meiner Katze G'Kar vereinnahmt.

Das Wochenende war sehr stürmisch, gestern Abend war an ein paar Stellen am Hafen leichtes Hochwasser. Spannend zu sehen!

Nach der OP-Woche läuft die Arbeit ganz langsam und in Ruhe an. Heute habe ich mit meinem Partner Nils Holst den nächsten Fortbildungs-SNACK geplant und ihn für mein Spielzeit-Magazin interviewt.

 

Dienstag:

Morgens Online-Stunde mit Nick, unser heutiger Tanzsong:
https://www.youtube.com/watch?v=TDJBr3G0Guw
Allerdings hat nur Nick getanzt, ich muss damit noch eine Weile warten. Dennoch merke ich, wie Theater einfach immer ein Wohlfühlort ist, auch wenn ich nur zuschaue.

Hier ein interessanter Artikel über die Entwicklung eines eigenen Ökosystems der Ungeimpften. Das Design des Artikels und die sich verändernde Hintergrund-Grafik find ich ziemlich cool: https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/welt-der-ungeimpften-e790098/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE



Mittwoch:

Der Tag ging heute irgendwie so dahin und war dann doch weniger erschöpfend als befürchtet.
Morgens habe ich ewig bei der Ärztin im Wartezimmer gesessen und nach 1:45 h Wartezeit wurden endlich die Fäden an meinen Narben gezogen. Nächste Woche muss ich nochmal hin.
Es fühlt sich an wie ein ewiger Rattenschwanz, der an dieser OP dranhängt.
Aber ich bin stolz: Ich war das erste Mal seit der OP allein zu Fuß unterwegs, zur Ärztin hin und wieder zurück. Also insgesamt etwa 30 min Laufweg. Mein Kreislauf hat nicht geschwächelt, aber ich bin auch ganz langsam und in Ruhe gelaufen.
Ich würde gern am Wochenende ans Meer fahren. Deshalb muss ich jeden Tag ein bißchen laufen, um mich darauf vorzubereiten.

Mittags kam meine Mutter für wenige Stunden vorbei, die Verwandte in Mecklenburg-Vorpommern besucht hat. Das war schön und ganz entspannt.

Abends dann der richtige Kursstart mit meiner neuen Online-Theatergruppe. So eine Gruppe habe ich mir schon länger gewünscht, aber vor der Pandemie war es ganz unmöglich, für so ein Projekt ausreichend interessierte Amateurspieler*innen zu finden. Jetzt erst nach zwei Jahren Corona ist das in der Form möglich geworden. Ich hatte zwar schon eine grandiose Online-Gruppe mit Online-Inszenierung im September letzten Jahres, aber das waren alles Berliner*innen mit dem Ziel, später analog weiterzumachen.
Die neue Gruppe ist wirklich nur online aktiv, dafür aber aus verschiedensten Regionen. Deutschland ist mit verschiedenen Bundesländern vertreten und eine Teilnehmerin lebt in Südafrika!
Und obwohl ich momentan noch schnell müde und erschöpft bin durch die OP, spüre ich so langsam das motivierende Kribbeln einer neuen Produktion und merke, wie sehr mir das gefehlt hat. Endlich wieder ein neues Stück suchen, gemeinsam ein Inszenierungskonzept entwickeln, Rollenarbeit, Kostüme, Bühnenbild, Technik usw. Das ist genau mein Ding!
Die Aufführungen sind für Ende November geplant. In Zoom!



Donnerstag:

Heute war ein ganz entspannter Tag. Komplett verregnet und deshalb nur drinnen. Soviel zum Thema Laufen-Üben. Muahaha.

Vorspiel-Probe abends wieder online, ein paar pausierende Spieler*innen sind wieder dabei und das fühlt sich total schön an. Wir sind Bühnenbild und Textänderungen und die Planung für's Probenwochenende durchgegangen und auch hier fühlt es sich wieder so an, als wenn endlich was passiert.



Freitag:

Letzter Tag der Arbeitswoche, komplett ohne Termine. Ein bißchen Homeoffice, leckeres Mittagessen und Zeit zum Lesen. Am Hafen war ich auch. Was will man mehr?

Ich merke, dass mir das Wenig-Arbeiten gerade recht gut tut.

Mal eine Frage zum Buch-Lesen:
Ich schaffe es ja seit über einem Jahr regelmäßig zu lesen, im Schnitt 1-3 Bücher pro Monat. Allerdings nie lange. Früher als Kind habe ich stundenlang lesen können, manchmal ein Buch direkt in einem Rutsch. Heute sind meist 10 Seiten das Maximum, das ich am Stück schaffe. Die Konzentration und der Fokus fehlen mir. Am leichtesten fällt mir das Lesen, wenn ich unterwegs bin, z.B. in der S-Bahn. Zuhause auf dem Sofa ist es deutlich schwieriger. Da fallen mir noch tausend To-Dos ein, die mich dann nicht mehr loslassen.
Wie ist das bei euch mit dem Lesen? Wie funktioniert das für euch? (FALLS ihr lest natürlich)

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