Corona-Theatertagebuch – Woche 84


 

Montag: 

Ich bin zurzeit ein bißchen raus aus diesem "Arbeiten". Die Tage verschwimmen oft und ich habe noch kein Zeitgefühl gefunden für dieses neue Leben. Wenn ich aufstehe, geht es immer zuerst an den Hafen und danach überlegen wir, was wir an der Wohnung als nächsten Schritt machen können. Arbeitstermine habe ich gerade so selten, dass das zwischendurch komplett aus dem Fokus gerät. Ein interessantes Gefühl, das ich so gar nicht kenne bzw. schon sehr sehr lange nicht mehr erlebt habe.
Wir alle mussten ganz schön viele Veränderungen durchmachen die letzten anderthalb Jahre. Diese Wechsel der Arbeitsbedingungen und -orte haben zumindest mich ganz schön geschlaucht. Wenn man sich an die Online-Arbeit gewöhnt hatte, ging es analog wieder los und man musste erstmal wieder mit Menschengruppen klarkommen. Jetzt gerade muss ich mit der Situation Umzug klarkommen.:D

 
Dienstag:

Die Probe mit Nick fand wieder zwischen Kisten und Taschen mit Musik vom Plattenspieler statt. Vielleicht habe ich in einer Woche dann schon ein halbwegs eingerichtetes Arbeitszimmer. Wandfarbe habe ich schon gekauft, wenn auch nur einen Eimer. Mehr gab's halt nicht im Baumarkt. Eventuell bekomme ich morgen in einem anderen Baumarkt noch einen Eimer der gleichen Sorte. Wär ja fein.
Mittags kamen Mutter und Bruder in Rostock an und ich habe den Rest des Tages mit ihnen verbracht, was auch richtig schön war.

So langsam habe ich eine Vorahnung, wie sich hier ein neuer Alltag gestalten lässt. Das Zeitgefühl wird klarer. Immerhin bin ich jeden Abend neu überrascht, dass ich morgens schon am Hafen war. Ich hab das nachmittags meist wieder vergessen. Aber ich liebe dieses Morgenritual!

Gesundheitsminister Jens Spahn möchte die pandemische Lage gern auslaufen lassen in Deutschland. Mir kommt das verfrüht vor, immerhin haben wir noch immer eine relativ hohe Zahl an Infektionen. Und so komisch es klingt: Jetzt bin ich schon total an die ganzen Maßnahmen gewöhnt und die Maske ist an meinem Handgelenk festgewachsen. Wie sollte ich mich da so einfach davon trennen? Das wird nochmal eine Umstellung. Wie geht's euch damit?


Mittwoch:

Was ist denn jetzt mit den Corona-Maßnahmen? Weiß irgendwie grad auch nicht ...
Theaterspielen im analogen Rahmen ist auf jeden Fall ja jetzt schon eine ganze Weile möglich, wenn alle getestet, geimpft oder genesen sind. Bei den Vorspielern sind alle komplett geimpft, was ich super finde. Eine Berliner Kollegin startet bald einen neuen Kurs und bietet diesen nur für Geimpfte an. Finde ich passend und eine klare Aussage – auch wenn natürlich wieder jemand auf Facebook rumgemosert hat, dass das nicht demokratisch sei. Sie ist aber eine Unternehmerin, die für ihr eigenes Unternehmen entscheiden kann, welche Kund*innen sie bedient und welche nicht.
Bei unserer Ausbildung bei der LAG ist das schon schwieriger. Wobei da glaube ich auch alle geimpft sind. Zumindest waren es die Bewerber*innen bei der analogen Basiswerkstatt.
Wie arbeitet ihr grad? Habt ihr Regeln für euch selbst aufgestellt?

Der heutige Tag war voller Erlebnisse: morgens Hafen mit Weg zum Hotel meiner Familie, dann mit denen nach Warnemünde an den vollen Strand (Ferienzeit!) und ins Restaurant und an den offenen Bücherschrank im Kurpark. Dann wieder in die Stadt rein, abends Kurstermin mit meinem neuen Online-Basiskurs (Thema heute: Kreatives Schreiben) und im Anschluss Abend in einem anderen Restaurant mit der Familie ausklingen lassen.
Spät abends fuhr ich dann mit der Straßenbahn nach Hause und traf auf den letzten Metern meine Nachbarin Marie. Es ist immer richtig schön, mit einer Person im gleichen Haus zu wohnen, mit der man sich gut versteht. Das hatte ich noch nie, dass Bekannte so nah dran gewohnt haben (außer als Kind). By the way: Marie könnte noch eure Stützung gebrauchen. Vielleicht habt ihr Lust, hier für die Realschule Elsenfeld abzustimmen? Mit dem Preisgeld könnten Gastspieler*innen in die Schule geladen werden, z.B. Marie, die dort gerade eine Lesung gemacht und einen Film des Spoken Word Theaters gezeigt hat.  https://www.sparda-machts-moeglich.de/profile/staatliche-realschule-elsenfeld/


Donnerstag:

Kunsthalle Rostock stand heute auf dem Programm. Ich habe mir gleich eine Jahreskarte gekauft, damit ich mal regelmäßig Kunst angucke. Und ich mag die Ausstellungen dort sehr gern.
Generell muss ich sagen, dass ich in Rostock immer wieder fasziniert von der Freundlichkeit jeglichen Service-Personals bin. Als Berlinerin erschreckt einen das richtig, weil in Berlin fast alle pampig sind.

Nachmittags hab ich eher rumgedümpelt, aber gegen Abend genug Energie gehabt, die ganzen Kisten zu verräumen und so mein Zimmer für das Streichen vorzubereiten. Das erste Mal im Leben richte ich mir ein eigenes Homeoffice komplett nach meinen Wünschen ein. In den ersten Wohnungen hatten mein Mann und ich gemeinsame Arbeitszimmer und in der letzten Wohnung war das gemeinsame Zimmer zwar in den letzten 1-2 Jahren mein eigenes, aber da war schon klar, dass wir ausziehen werden und ich fand es dann unnötig noch so "monumentale" Änderungen wie eine neue Wandfarbe anzugehen.
Hier in Rostock ist es nun soweit. Und ich freue mich extrem darauf!

Vorspiel-Probe abends wieder auf Zoom. Ist grad schwierig mit Arbeit, Krankheit usw. in der Gruppe. Aber hey: Am Schluss waren 5 Leute da, und das ist schonmal ziemlich cool!

Wichtiger Artikel:
https://www.thisisjanewayne.com/news/2021/10/21/frankfurter-buchmesse-die-kaempfe-kaempfen-immer-dieselben/



Freitag:

In der letzten Woche habe ich einen eigenen Arbeitsplatz wirklich vermisst. Von Tag zu Tag mehr. Aber so langsam arbeite ich mich voran. Der erste Anstrich in meinem Arbeitszimmer ist fertig.

Samstag:

Zweiter Anstrich fertig und die ersten Sachen eingeräumt.



Sonntag:

Ich habe die Möbel im Arbeitszimmer aufgestellt. Daneben gefühlt tausend Umzugskisten. Hab erstmal die meisten Bücherkisten ausgepackt und bei der Gelegenheit gleich noch 32 Bücher aussortiert, von denen ich ein paar verschenke und den Rest in einen öffentlichen Bücherschrank bringe. Teilweise hatte ich sie nur wegen einer Szene oder einer Kurzgeschichte aufgehoben. Habe mir diese Seiten abfotografiert. Wichtigstes Ergebnis: jetzt habe ich einen Tisch und einen Stuhl, um daran zu arbeiten – wenn auch mit Kisten drumherum.
Die nächste Woche wird noch einmal voll, denn es geht von Mitte bis Ende der Woche wieder nach Berlin – zur Wohnungsübergabe und zum ersten LAG-Wochenende der neuen Grundlagenbildung.


Gedanklich bin ich momentan oft raus aus der Arbeit. Irgendwo anders, meist bei der Einrichtung, beim Streichen. Oder ich stehe einfach nur am Fenster und gucke Vögel an. Momentan ist auch die Zeit der Vogelzüge und hier kann ich wirklich viele beobachten.

Rostock ist generell voller Vögel. Ob Möwen, Schwäne, Kormorane, Enten, Gänse, Krähen, Blaumeisen, Dohlen, Elstern ... hier wird's für Vogelfans echt nicht langweilig.
Highlight der Woche: Krähen, Krähen und nochmals Krähen! Hier gibt es so viele (Nebel-, Raben- und Saatkrähen), die in großen Gruppen morgens und abends über die Dächer ziehen. Sie sind laut und großartig. Am Hafen nehmen sie auch manchmal eine Erdnuss und kommen dann auch etwas näher ran. Lektüre der Woche war demnach auch mein Krähen-Buch, das ich mir zum Geburtstag letzten Monat gekauft hatte.


Also ja, ich schweife wirklich ab im Kopf und erschrecke manchmal, wenn mir was arbeitsmäßiges einfällt, an das ich gar nicht gedacht hatte. Ich vergesse keine Termine – zum Glück! –, aber ich kreise nicht mehr dauernd mit den Gedanken um die Arbeit wie das in Berlin der Fall war.
Und das ist auch irgendwie richtig gut so.



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