Corona-Theatertagebuch – Woche 70




Montag:

Wow, wir sind in der 70. Corona-Woche! An alle, die jetzt noch hier sind: Ihr seid tapfer und stark! Gemeinsam stehen wir auch alle weiteren Wochen noch durch.
Wieviele es noch werden? Keine Ahnung. Ich werde hier weiterschreiben bis ich das Gefühl habe, dass Corona im theaterpädagogischen Alltag kein Thema mehr ist. Ich meine damit nicht inhaltliches Thema, sondern organisatorisch und zwischenmenschlich. Oder bis ich einfach keine Lust mehr habe.

Ich bin gespannt, wie die Pandemie die Arbeit langfristig verändern wird. Halten wir generell mehr Abstand? Nehmen wir mehr Rücksicht auf Distanz-Wünsche? Desinfizieren wir mehr? Tragen wir ab und zu Masken?

Erst wollte ich schreiben "...,
wie die Krise die Arbeit langfristig verändern wird.", aber die wirtschaftliche Krise beginnt ja jetzt erst so richtig.
Lange haben alle ausgeharrt und viele Institutionen konnten sich ein Weilchen über Wasser halten. Doch jetzt schließen auch diese. Der Probenraum, die ich für meine Theatergruppe Vorspiel angemietet hatte, macht Ende September für immer zu. Das war ein kleines Tanz- und Gymnastikstudio für Kinder und Erwachsene. Wir müssen uns jetzt auf die Suche nach einem neuen Raum machen ... aber finde mal noch einen günstigen, zentral gelegenen Probenraum in Berlin ...

Diese Woche wird heiß und ich habe einerseits einiges im Homeoffice zu tun, und andererseits will ich nebenbei weiter aussortieren und Dinge auf ebay-Kleinanzeigen loswerden. Mit dem Umzug in eine Wohnung, die ein Drittel so groß ist wie unsere jetzige, müssen wir einige Möbel weggeben. Und in dem Zuge auch gleich Kleidung, Bücher, Geschirr, Bastelkram, überflüssige Technik, Deko etc. Außerdem ist das die geniale Gelegenheit, endlich wieder Unterlagen zu sortieren und über 10 Jahre alte Belege, Rechnungen usw. zu entsorgen.


Dienstag:

Heißester Tag der Woche. Ich war bei Nick und wir haben an den Texten für unseren Audiowalk gearbeitet.
Im Anschluss war ich mit einer Kollegin essen und mit den Füßen im Springbrunnen planschen.
Zuhause Homeoffice und ein Eis. So ist der Sommer halbwegs erträglich.

Kaum will ich wegziehen, habe ich heute früh spontan eine Anfrage von einem Kollegen bekommen, seine Seminare an der VAK zu übernehmen. Wenn ich sie auch online durchführen kann, würde ich das machen. Ich vermute aber, dass das momentan nicht so gewollt ist.
Überhaupt findet gerade wenig online statt. Auch die Theater halten sich dezent zurück. Ich bin etwas enttäuscht, ehrlich gesagt. Die Strukturen waren doch schon da, um immerhin – wenn schon keine expliziten Online-Inszenierungen – Streams von Theaterstücken zu zeigen. Ich würd dafür auch zahlen. Ich habe mir gewünscht, dass Digitalität als Teilbereich bestehen bleibt, als zusätzliches Angebot. So sieht es aber nicht aus im Moment. Find ich enttäuschend.

"Käpt'ns Dinner" ist ein sehr nettes Interview-Format, besonders die Folge mit Guido Maria Kretschmer, den ich einfach gern mag:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/kaeptnsdinner/Mit-Michel-Abdollahi-und-Guido-Maria-Kretschmer,sendung1163412.html


Mittwoch:

Es ist wieder bzw. noch immer heiß. Mein Rechner-Lüfter summt, aber da muss er durch.
Ich bin ja ein großer Fan der Wes-Anderson-Ästhetik und es steht ein neuer Film an. Wieder erstklassige Besetzung, ich kann es kaum erwarten:
https://www.youtube.com/watch?v=wKaCY-gm1h4


Ansonsten spüre ich das Sommerloch. Kaum Anmeldungen für Workshops, ganz viel Stille. Ich bin ganz froh, dass ich bei meinen Theatergruppen nie Ferienzeiten eingeführt hab. So ist man einfach immer am Ball und hat keine superlangen Pausen.

Habe heute richtig viel Essen gekauft, auch viel für den Vorrat. Ab Ende nächster Woche geht die Intensivphase los, da muss ich mich ja irgendwie verpflegen. Vielleicht koche ich schon ein bißchen vor, um jeden Tag einfach was auftauen und mitnehmen zu können. Wie macht ihr das bei langen Probenphasen? Nehmt ihr euch Essen mit oder kauft ihr was unterwegs oder geht ihr in der Pause essen?

Da bei den meisten wieder alles "so wie vorher" läuft, feier ich diesen Artikel hier sehr!!!
https://ebildungslabor.de/blog/experimentiermodus/

Abends Probe mit meinem aktuellen Theatergruppenkurs und wir haben einen Aufführungstermin für die Online-Inszenierung! Am 22. September ist es soweit, aber ich weiß noch nicht, ob ich Leute einlade(n kann), weil natürlich Gäst*innen der Mitspielenden Vorrang haben, is ja klar.


Donnerstag:

Ich bin heute kurz vor 6 aufgewacht und konnte nicht mehr schlafen. Was soll das? Jetzt bin ich müde. Vor mir liegt ein Homeoffice-Tag mit Yoga, Planungstreffen und Arbeit an Magazinen und dem Vorspieler-Hörspiel.
Sollte das Wetter mitspielen, geht's mit den Vorspielern heut abend raus auf's Tempelhofer Feld, aber es sieht ehrlich gesagt nicht so gut aus. Es soll abends Gewitter geben.
Das ist die große Krux bei der Draußen-Arbeit. So schön es ist, wenn es klappt, so schwierig ist die Sache mit dem Wetter.

Update: Wetter hat nicht mitgespielt, also war es eine gemütliche Online-Runde, in der wir viel gelacht haben. Manchmal erschrecke ich richtig, dass ich mit so viel Spaß mein Geld verdiene. Ich bin sehr priviligiert.

Digital passiert übrigens doch noch was. Beispielsweise hier: https://rampenlichter.com/festival/programm/digital-programm/

Haupt-Thema dieser Tage ist das schlimme Unwetter und die Überschwemmungen in Rheinland Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Ich kann die Reportagen kaum anschauen, es erschüttert mich.


Freitag:

Heute ist es zu heiß zum Arbeiten. Mein Gehirn ist unbrauchbar. Um einen Umzugskarton mit einer anderen Faltung als der Standard-Faltung zusammen zu bauen, musste ich mir erstmal ein Youtube-Tutorial anschauen. So weit ist es schon mit mir ...
Aber hey: die Umzugskartons sind da!

Meine Mutter hat angerufen und sich Sorgen gemacht, dass die Familie meines Mannes von der Unwetter-Katastrophe betroffen ist. Sind sie nicht, alles gut.

Diese Woche ist voller kleiner "Vorzeichen" für den Umzug ans Meer:
  • morgens fliegt eine Möwe am Fenster vorbei
  • bei der Recherche für die Wandfarbe, die ich in unserem aktuellen Schlafzimmer benutzt habe und auch in der neuen Wohnung für mein Homeoffice nutzen will, sehe ich, dass die Farbe "Ocean" heißt
  • die frisch gekauften Kekse haben ein Schiff eingeprägt
  • beim Sortieren finde ich immer wieder kleine Schachteln voller gesammelter Steinchen und Muscheln

Ein bißchen sortiert habe ich heute, im Restaurant gegenüber Mittag gegessen und viel gelesen. Bin jetzt mit "Die Anderen" von Laila Lalami fertig und spreche eine große Lese-Empfehlung aus!

Plan für's Wochenende: Weitersortieren, Packen und die Serie "Physical" auf AppleTV bingewatchen (https://www.youtube.com/watch?v=PQTFdslwJYo). Let's go!

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