Corona-Theatertagebuch – Woche 22
Montag:
Ich habe gelesen. Und ich lese noch immer. Es musste erst eine Hitzewelle kommen, die mir Arbeiten quasi unmöglich macht. Das einzige, was geht, sind kaltes Wasser, Eis und Bücher ... und abends Serien und Filme auf dem Balkon.
"Inland" von Téa Obreht habe ich endlich fertig. Ich mag es sehr und bin wieder inspiriert für das Mini-Solotheaterstück, das ich vor Corona in der Planung hatte.
Jetzt lese ich "Ernst Barlach in Güstrow", eine Novelle. Novellen sind eigentlich nicht so meine Literaturgattung, aber diese liest sich schnell dahin und hat viele schlaue Sätze wie dieser hier (auch wenn ich überlege, was man statt des Wortes "taub" als Synonym nutzen könnte):
"Was aber sollte man diesem Deutschland in die tauben Ohren schreien, da nicht einmal Kunst es aufrührte, was denn, was?"
Minimalismus interessiert mich sehr. Einige Dinge habe ich in meinem Leben schon "minimalisiert" – z.B. bei Haushalt, Kosmetik, Büchern, Kleidung – aber auch Verhaltensweisen und Kontakte kann man hinterfragen. Regelmäßig gehe ich z.B. meine Facebook-"Freundes"liste durch und schmeiße Leute raus, die ich nicht wirklich kenne, mit denen ich gar nichts (mehr) zu tun habe oder deren Beiträge ich nervig finde. Richtig gute Tipps zu dem Thema gibt es hier:
https://witanddelight.com/2020/08/a-checklist-to-mindful-minimalism-its-more-than-throwing-away-an-old-pair-of-jeans/
Dienstag:
Es bleibt heiß. Im Innenhof weht heute zumindest ein kleines Lüftchen. War vormittags in Tegel bei meinem Privatschüler Nick. Haben gemeinsam das Stück gelesen, dass er mit der Theatergruppe Synchronschief spielen wird. Ansonsten sind die Hauptaufgaben weiterhin Liegen, Atmen, Nicht-Schmelzen und Lesen (momentan Theaterstücke von Max Frisch).
Mittwoch:
Noch immer heiß. Noch immer Lesen. Heute: "Ende gut, alles gut" von William Shakespeare.
Donnerstag:
Noch immer heiß. Nächste Woche werde ich für einen Podcast interviewt – Vorfreude!
Ehrlich gesagt geht es mir auch ein bißchen so wie in diesem Artikel beschrieben:
https://www.thisisjanewayne.com/news/2020/08/13/unbequeme-wahrheiten-vermisst-ihr-auch-die-quarantaene/
Und gleichzeitig ist da so eine Art unausgesprochener Druck, dass man sich jetzt wieder "normal" zu verhalten habe. Keiner macht diesen Druck aktiv, aber das Umfeld besteht sowohl aus Menschen, die sehr locker mit Corona umgehen, und anderen, die super vorsichtig sind. Ich bin irgendwo dazwischen mit Tendenz zur Vorsicht. Immer wenn ich mich mit eine*r Freund*in treffe, wird erstmal ausgehandelt, wie und wo man sich trifft. Berührt man sich? Will die andere Person mich umarmen zu Begrüßung und Abschied? Will ich das?
Zwei weitere Kurse pausieren gerade, von denen ich noch gar nicht weiß, wie es mit denen weitergehen soll. Den Basiskurs würde ich gern draußen zuende führen, im September. Keine Ahnung, ob das so klappt wie geplant.
Mein Schnellzünder-Kurs steckt eigentlich auch grad mitten in einer Inszenierung. Zehn Termine waren noch offen, dann sollte die Aufführung stattfinden. Was nun? In den Raum können wir gerade nicht rein. Eine andere Form (digital etc.) war erstmal nicht gewünscht. Ich warte ab.
Der gestrige Abend mit den Vorspielern war eher ein Biergartentreff statt einer Probe – hehe – aber wir haben einen vorläufigen Favoriten für das geplante Hörspiel gefunden: "Das Gespenst von Canterville" von Oscar Wilde.
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