Corona-Theatertagebuch – Freitag, 03. Juli 2020


7:52 Uhr:

Mein Bruder hat Geburtstag! Heute abend gehen wir mit der Familie Essen.


8:52 Uhr:

Immer wenn ich an meinem Magazin arbeite, komme ich in den Flow. Die Mischung aus kreativer Ideenlösung (Wie formatiere ich? Soll da eine Grafik hin? Welche Fotos nehme ich?) und ganz klarem Abarbeiten der einzelnen Schritte, ist eine tolle Kombination. Gleichzeitig blicke ich dabei die ganze Zeit auf die eigene Arbeit, sehe meine Teilnehmenden und Kolleg*innen und kann ganz in diese Theaterwelt eintauchen ... vom Schreibtisch aus.


13:43 Uhr:

Ich empfinde so gut wie nie Wut, aber heute war es soweit. Dieser Post war erschreckend:
https://www.facebook.com/groups/250039315125227/permalink/2875305922598540/
Die Theater Chemnitz spielen in ihrem Sommer-Programm "Hair". Ein Musical von 1968, dessen politische Schlagkraft bis heute aktuell ist. Mehr zum zeitgeschichtlichen Hintergrund (u.a. die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung) – der für die Handlung essentiell ist – findet ihr hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hair

Jetzt könnte man denken: Super, da passt "Hair" als Sommerprogramm ja genau in die aktuelle Zeit.
Stimmt – wenn man so divers casten würde, wie die Original-Besetzung ist. Stattdessen wird eine rein weiße Version mit ausschließlich weißen Schauspieler*innen gespielt. Wer das Musical kennt, kann sich zusammenreimen, dass in dieser Version vermutlich alle Songs, die von Schwarzen und deren Lebensrealität erzählen, entweder gestrichen oder verändert sind.
Schlimm genug, dass es diese All-White-Version des Musicals überhaupt gibt. Sie sollte gar nicht existieren. Noch schlimmer, dass diese Version immer noch gespielt wird. Vor allem in der aktuellen politischen Situation. Es ist einfach nur beschämend.

Um ein Gegengewicht zu setzen, hier ein wunderbarer Song aus der Film-Version des Musicals:
https://www.youtube.com/watch?v=U45CzgrLE9s


15:19 Uhr:

Eigentlich gibt es heute nicht mehr wirklich was zu sagen. Das oben genannte regt mich auf. Werde mich umziehen für heut abend, noch ein Päuschen machen und dann mit meinem Bruder feiern.

Früher Feierabend.

Kommentare