Corona-Theatertagebuch – Mittwoch, 20. Mai 2020



9:51
Uhr:

Neun Leute sind schon in meinem Netzwerk! Und jemand hat schon einen Beitrag geschrieben. Immerhin!


15:38 Uhr:

Jetzt sind es 10!

Als ich auf Facebook heute Werbung für mein Netzwerk gepostet habe, kam sofort ein ziemlich aggressiver Kommentar, dass Theater auf Distanz absurd sei und die Person kein Interesse an "online-Murks" hat und nicht versteht, warum wir (wer ist "wir"?) das tun. Versammlungen seien erlaubt, auch in geschlossenen Räumen, was denn unser Problem sei.
Mich stört nicht, dass jemand Online-Theater scheiße findet. Es gibt viele, die das beschissen finden, kein Problem. Ich finde auch viele Theaterformen scheiße.
Aber ich war erschrocken, wie aggressiv die Reaktion ist. Denn ich hatte einfach nur folgenden Post geschrieben:
"Ich habe ein kleines Amateurtheaternetzwerk erstellt – zum Austausch, zur Gruppenfindung, zum Ausprobieren von theatralen Aktionen auf Distanz. Vielleicht hat jemand Lust, dort aktiv dabei zu sein?" + Link zu meinem Netzwerk.
Vermutlich war nicht wirklich ICH der Adressat (die Person hat ja auch "euer" geschrieben), sondern es war irgendein anderes Problem.
Was mich am meisten daran stört, ist die Tatsache, DASS es mich so stört. Dass ein einziger aggressiver Kommentar mir so zusetzt und mich beschäftigt. Argghh!
Aber Logo: je mehr Herzblut man in etwas investiert, desto stärker verletzt einen dann Ablehnung.
Übrigens möchte ich zu dem Kommentar ergänzen, dass Versammlungen bis 50 Personen zwar erlaubt sind, aber mit Versammlungen sind nicht Theaterproben gemeint – vor allen Dingen keine privaten Theaterproben mit Amateuren. An den Theatern gibt es für die Berufs-Schauspieler ganz andere Vorgaben.

Ich bin dann rausgegangen, um Essen zu kaufen, und habe gemerkt, was vielleicht gerade das allgemeine Problem und mit ein Auslöser für solche Reaktionen ist:
Für einen Großteil der Menschen ist die Krise vorbei. Also zumindest in ihrem Kopf. So gut wie keine Masken mehr, kein Abstandhalten, alle sind draußen in Scharen unterwegs.



16:12 Uhr:

Habe meine ganzen Websites aktualisiert, überall mein Netzwerk mit reingepackt.
Werde mich jetzt der Reinigung der Küchenmülleimer widmen. Das ist so eine 3er-Station aus Metall als Kippsystem mit rausnehmbaren Plastikeimern. Die Plastikeimer lassen sich gut waschen, aber das Metallgestell ist schwierig, weil die Kippfächer nicht abnehmbar sind. Da klemmt also überall am Boden unten drunter irgendwelcher Müll, an den ich nicht rankomme. Ich glaube, ich stell das ganze Teil mal auf den Kopf.


17:53 Uhr:

Der Mülleimer macht mich fertig. Hab erstmal ne Tee-Pause gemacht.

Inzwischen ging die Konversation online noch weiter, ich hatte vormittags eine Antwort auf den Kommentar geschrieben und einen überhaupt nicht auf meine Antwort eingehenden weiteren Kommentar bekommen.

18:58 Uhr:

Ich habe die Mülleimer bezwungen. Zeit für ein wenig Kunst. Ich wollte schon ewig mal wieder einen Stempel schnitzen. Heute ist Welt-Bienen-Tag. Also wird es ein Bienenstempel.


19:20 Uhr:

Die Aufmerksamkeit wurde von einer anderen Facebook-Konversation abgesogen, die zwar nicht aggressiv, aber irgendwie auch unnötig und hochstatusmäßig war. Notiz für mich: Dort einfach nicht mehr posten.


20:28 Uhr:

Die Zeit ist heute vorbeigerauscht. Wie im Flug, als wäre der Tag gar nicht passiert.

Das kreative Arbeiten mit den Händen hat gut getan. Während des Schnitzens habe ich den Anfang von Kafkas "Das Schloss", gelesen vom Ensemble des Staatsschauspiel Dresden, gehört:
https://soundcloud.com/staatsschauspiel-dresden

Happy World Bee Day!

Feierabend.

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