Corona-Theatertagebuch – Freitag, 08. Mai 2020



9:14
Uhr:

Dinge, die ich regelmäßig vergesse: Feiertage. Aber Feiertage finde ich gar nicht so übel, weil man da meistens in Ruhe arbeiten kann, weil viele andere frei machen und man dann gar nicht so viel Ablenkung durch Mails etc. hat.

Habe seit Jahren mal wieder Kellogs Frosties gekauft. Hammer!


12:39 Uhr:

Momentan jeden Tag ein bißchen Kultur. Ich gucke gerade die Theater-Inszenierung "Frankenstein":
https://www.youtube.com/watch?v=dI88grIRAnY
Allein optisch schon wunderbar!


15:01 Uhr:

Wow, was für eine Inszenierung!

Kennt ihr das eigentlich auch, dass ihr euch erst wieder an Dinge gewöhnen müsst, wenn ihr sie lange nicht mehr gemacht habt?
Da ich seit dem 13. März außer meinem Mann, meinen Katzen und meiner Zahnärztin niemanden mehr offline getroffen habe, finde ich den Gedanken, mich wieder mit jemandem zu treffen, sehr gewöhnungsbedürftig. Außer meinen Theaterkursen habe ich auch vor Corona gar nicht allzu viele Leute getroffen. Gerade auch WEIL ich ständig mit Gruppen arbeite, dadurch also sowieso immer mit vielen unterschiedlichen Menschen pro Woche Kontakt hatte. Ich habe natürlich auch Freunde, aber keine Clique, so dass ich ab und zu mal mit 1-2 Freunden was unternommen habe. Manche Freunde sehe ich sowieo nur etwa einmal pro Jahr.
Ich weiß noch nicht, wie ich jetzt in die Lockerungen starten soll. Vielleicht gehe ich am Wochenende mit einer Freundin spazieren. Nächste Woche würde ich gern allein den Audiowalk vom Theaterdiscounter machen. Und dann mal meine Familie besuchen. Und dann mal schauen. Bin gerade wie ein scheues Tier, das der Sache noch nicht traut. Genauer gesagt sind mir die Menschen draußen etwas suspekt. Abstand halten und Vorsicht sind grad nicht mehr so trendy.


15:15 Uhr:
 
Andy Serkis liest heute 12 Stunden lang "Der kleine Hobbit":
https://www.youtube.com/watch?v=4QOF_r_Y5-A


16:09 Uhr:
 
Am Theatertreffen habe ich noch nie in irgendeiner Form teilgenommen, finde es aber interessant, jetzt online daran teilhaben zu können. Höre gerade ein Panel, in dem Kay Voges dabei ist, von dem eine Kollegin schwärmte, und muss ihm total zustimmen, denn er sagte eben das hier:

"Ich glaube, dass sich die Produktionsweisen zum Positiven wandeln, wenn man nicht mehr einen Raum teilt miteinander. Also die Form verändert auf einmal die Kunst auch. Als man noch zusammen Theater machen konnte, habe ich ja trotzdem eine Produktion gemacht – die Parallelwelt – am Berliner Ensemble und in Dortmund gleichzeitig, und wir waren verbunden über Glasfaser. Das war das erste Mal, dass man Theater ..., dass man gespielt hat miteinander, ohne einander begreifen zu können. Und das fordert auf einmal eine unglaubliche Aufmerksamkeit für den Menschen, den man nicht sehen kann. Und eine Empathie mit dem Nicht-Anwesenden. Und das finde glaube ich etwas, was in einer globalisierten Welt etwas ist, was wir evolutionär lernen müssen. Empathie haben mit Menschen, die nicht faktisch vor unserer Nase sind. Und das können wir in der Kunst erproben und können herausfinden – ich find das ja toll. Also wenn wir jetzt zusammen auf der Bühne sitzen würden, grad im Moment, hätten wir uns schon zwanzigmal öfters ins Wort gesprochen. Hier im Netz gibt es auf einmal andere Konventionen, man muss sich, um überhaupt miteinander klarzukommen, aus ausreden lassen und wie in der Schule die Hand heben, um rangenommen zu werden. Das ist auch ne schöne Sache, wenn man auf einmal merkt, wir achten ein bißchen mehr aufeinander. Und ich glaub, das ist etwas, was wir vielleicht dann aus dem Shutdown vielleicht auch wieder ins reale Leben mit hinüber nehmen können."

17:29 Uhr:
 
Ich wurde gerade für das Projekt "Unter Strom" interviewt. Bin gespannt auf das Ergebnis. Es werden noch Interviewpartner*innen gesucht. Wenn ihr auch Lust habt, meldet euch doch direkt dort.

Zeit für Feierabend.

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