Corona-Theatertagebuch – Donnerstag, 02. April 2020



11:11 Uhr:

Seit fast 1,5 Stunden helfe ich meiner Mutter mit Jitsi. Ich finde es super, dass sie es lernt, werde aber nervös, weil ich gleich einen Schnupperworkshop mit meinem Kollegen Christian Lippmann von structura und seinen Kunden hab.
Mein Kater jammert vor der Bürotür. Ich lasse ihn für nen Viertelstündchen nochmal rein.

Die letzte Nacht habe ich gut geschlafen, aber geträumt, dass ich auf eine Party in einer Privatwohnung gehe und die ganze Zeit versuche, mich von Leuten fernzuhalten und ihnen nicht zu nahe zu kommen. Ich hab mich im Traum geärgert, nichts anfassen zu können und zu beobachten, wie die anderen alles antatschen. Nervig. Corona ist jetzt fester Bestandteil meiner Träume.


16:47 Uhr:

Nach einem Status-Schnupper-Workshop mit Christian Lippmann und seinen Kund*innen sowie zwei Telefonaten mit Kolleg*innen bin ich erstmal platt. Das waren ein paar sehr lustige Stunden und ich hab es sogar geschafft, dazwischen noch Mittag zu kochen. Bin ganz stolz.

Jetzt ist es Zeit für eine Donauwelle, "The Office" und Kuscheln mit meinem Mann. Es etablieren sich neue Traditionen.


19:02 Uhr:


Endlich alle Videos der LAG bearbeitet. Jetzt exportiert das zweite so vor sich hin. Notiz an mich: viel selektiver Mitschneiden bei Zoom-Sitzungen!

Ich habe gestern Nacht noch diesen erschreckenden Artikel gelesen, den Lydia Krüger verlinkt hatte:
https://www.latimes.com/world-nation/story/2020-03-29/coronavirus-choir-outbreak

Danach habe ich nachgedacht und mit meinem Mann darüber gesprochen, dass ich gar nicht weiß, ob man bzw. ich nach der Ausgangsbeschränkung / dem Lock Down sofort wieder mit Gruppenarbeit vor Ort starten kann. Wenn jetzt irgendwann gesagt wird: so, man darf sich jetzt wieder treffen, auch Gruppenveranstaltungen sind erlaubt ... Was passiert dann mit den Risikogruppen? Wäre ich Risikogruppe, hätte ich dann doch trotzdem Sorge. Der Virus ist dann ja noch da. Und ich als Veranstalter*in habe ja eine gewisse Verantwortung für die Teilnehmenden. Ich finde, das ist ein beschissenes Dilemma.
Ich habe zwei Kurse, die gerade pausieren, und eine Gruppe, die eigentlich kurz vor den Aufführungen stand und im Herbst gern auftreten möchte. Mit den Vorspielern probe ich grad online. Jeder aus den Gruppen hat garantiert mit irgendjemandem aus den Risikogruppen zu tun. Bei den meisten Menschen in seinem weiteren Umfeld weiß man auch nicht, was für Vorerkrankungen sie haben. Die Erkrankungen sind ja nicht sichtbar. Und in einer Gesellschaft, die Leute sofort als schwächlich einstuft, sofern sie zugeben, eine Erkrankung zu haben, verschweigen das viele ihrem breiteren Umfeld.
Ich weiß grad nicht wirklich, wie ich damit umgehen soll. Klar möchte ich gern langfristig weiter online arbeiten – auch für die Zielgruppen, die sich vielleicht nicht sofort wieder in Menschengruppen stürzen. Es ist außerdem zeitsparend, teilweise klimafreundlich(er), praktisch und macht Spaß. Aber die pausierenden Gruppen wollen ja gern irgendwann vor Ort weitermachen. Inwiefern kann (und will) ich das verantworten? Zum Glück muss ich es nicht JETZT entscheiden, aber es beschäftigt mich ... sehr.



Habe gerade noch diesen schönen (und auch traurigen) Artikel von Lydia gelesen:
https://www.bueronymus.de/alles-stabilo


19:52 Uhr:


Gleich ist Probe mit den Vorspielern. Habe eine zweite Donauwelle gegessen.

Aus der Küche riecht es nach frischgebackenem Brot. Mein Mann ist der Meisterbäcker im Haushalt und sein Brot fantastisch!


21:21 Uhr:


Einige hatten heute technische Schwierigkeiten, andere waren krank oder durch die vielen Online-Meetings und langen Arbeitsstunden vor dem Rechner zu schlapp. Diese Bildschirmarbeit schlaucht extrem. Aber wir sind trotzdem vorangekommen und es war schön, einige Spielende wiederzusehen, die schon lange nicht mehr dabei waren. Eine kleine Family.
Jetzt noch den Zoom-Link für's morgige Theater Meet Up verschicken. Wenn jemand von euch im Amateurtheater aktiv ist und Lust hat, sich zu vernetzen und auszutauschen: Kommt dazu!

Tipp für Netflix: die isländische Krimi-Serie "The Valhalla Murders"! Da guck ich jetzt gleich noch ne Folge. Isländisch ist eine coole Sprache, ich höre gerne zu.

Feierabend.

Kommentare