Corona-Theatertagebuch – Dienstag, 17. März 2020




8:44 Uhr:

Das Aufwachen fällt mir heute schwer, ich fühle mich zerknittert. Auf meinem Handy habe ich Sprachrichten einer Freundin und Kollegin, die ihre Gedanken und Ängste mit mir teilt. Dafür bin ich dankbar. Der Shut Down trifft alle hart. Ich glaube, viele durchlaufen Phasen der Trauer, von Schock und Nicht-Wahrhaben-Wollen oder Trotz und Wut und dann langsam zur Neuorientierung. Andere sind überraschend beflügelt und die Kreativität bricht auf. Ich versuche zu unterstützen, wo ich kann. Mut zu machen, Hilfe anzubieten. Ich glaube, es macht Sinn, jegliche Lösungen nicht als vorübergehenden Ersatz zu sehen, sondern nachhaltig auch für die Zeit nach der Krise zu entwickeln. Als Element zu übernehmen, das fester Bestandteil der Arbeit wird. Ich strukturiere gerade meinen Arbeitsalltag um und finde neue Strukturen. Mit dem Gedanken im Hinterkopf: Wie und was will ich arbeiten, wenn die Lage jetzt für immer so bleibt? (Das wird nicht so sein, aber es hilft mir, Veränderungen anzugehen) Oder zumindest für das nächste Vierteljahr oder das nächste halbe Jahr. Denn ich bezweifle, dass sich die Lage bis zum 19. April beruhigt hat bzw. dass die Leute ab da sofort wieder entspannt zu Veranstaltungen mit viel Anfassen rennen.


9:53 Uhr:

Als ich den Rechner für den gleich beginnenden Online-Unterricht auf den Stehtisch stelle, fällt mir ein Zettel in die Hand, den ich vor zwei Wochen geschrieben habe, mit Wünschen für die nächste Zeit:
  • mehr freie Zeit für Kreativität
  • weniger Organisation
  • mich selbst weiterbilden und Neues lernen
  • tagsüber in Ruhe lesen und mit den Katzen kuscheln
  • weniger Besitz
  • mehr Zeit für andere
  • Impro- & Theaterbesuche
Und wie durch ein Wunder merke ich: Wow, die Krise hat mir einige Punkte davon instant erfüllt. Das Arbeitspensum ist zwar gerade enorm, weil ich viel plane, aber es ist gleichzeitig Weiterbildung. Ich hab sogar endlich mal wieder ne Improshow gesehen – online!


11:10 Uhr:

Die erste Online-Probe mit meinem Privatschüler lief super gut. Statt wie sonst alle zwei Wochen zwei Stunden bei ihm zuhause, treffen wir uns jetzt einmal pro Woche für eine Stunde online. Ich bin erleichtert, dass das also weitergehen kann.


13:48
Uhr:

Ich wage mich raus zum Einkaufen. Sollte ich nicht wiederkommen: Es war schön mit euch!


15:22 Uhr:

Sind andernorts alle Billigartikel weggekauft und nur noch die Bioware übrig, so ist es im edlen Wilmersdorf andersrum – was nicht bio ist, bleibt im Regal.

Warum ist es eigentlich so FUCKING warm draußen? Ich bin nach einem kurzen Einkauf total verschwitzt. Den Wintermantel kann ich dann wohl so langsam mal wegpacken.


19:48 Uhr:

Ich bin schon wieder sooo müde. Gleich ist Krisensitzung mit meiner Dienstagsgruppe.


20:49 Uhr:

Die Krisensitzung hatte ein paar technische Schwierigkeiten, aber die Stimmung war entspannt und positiv. Die Gruppe hat sich dafür entschieden, mit dem Kurs zu pausieren und weiterzumachen, wenn wir wissen, wann das wieder möglich ist. Was mich sehr gerührt hat: sie haben mich gefragt, wie man mich jetzt unterstützen kann. Ich habe sie gebeten, meine neue Website zu teilen, damit ich Teilnehmer für meine Online-Angebote finde.


21:34 Uhr:

Feierabend.

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