Schwärmst du schon oder spielst du noch?


Die meisten Menschen haben vermutlich schon mal für eine prominente Person geschwärmt. Zu Hause vor dem Fernseher, im Kino oder auf Magazinfotos.
Vielleicht haben sie ein Pinterest-Board angelegt und Google durchwühlt.
Vielleicht haben sie ihr Zimmer mit Postern tapeziert und Filme gesammelt, vielleicht Fan-Art gezeichnet oder Fan-Fiction gelesen (oder geschrieben?).
Vielleicht Podcasts gehört oder sich ein Tattoo stechen lassen.
Oder einfach nur immer ein bißchen geseufzt und gestrahlt, sobald der- oder diejenige auf dem Bildschirm erschien.

Die Schwärmerei für eine prominente und unerreichbare Person hängt dabei oft mit der Rolle zusammen, die die Person in der Öffentlichkeit oder in einem Film/einer Serie spielt.
Wir projizieren die Eigenschaften dieser Rolle in die private Person hinein, obwohl wir sie ja gar nicht kennen.
Vielleicht ist der Mensch privat gar nicht romantisch? Vielleicht ist er gar nicht cool. Vielleicht ist er überhaupt nicht witzig oder charmant? Aber in seiner Rolle ist er das hunderprozentig.
Und im Grunde ist es diese gespielte Rolle, die wir lieben, nicht den schauspielenden Menschen dahinter.

Auch das Theater kann dieses Phänomen hervorrufen.

Wie oft habe ich schon für Schauspieler auf der Bühne geschwärmt und war absolut hingerissen ...
Und nicht nur ich!
In den letzten 12 Jahren, in denen ich schon Stücke inszeniere und selbst auf der Bühne stehe, haben mich viele Zuschauer auf einzelne Spieler angesprochen. Manche ganz verhalten und vorsichtig, andere ganz offen und frei heraus mit Sätzen wie:

"Den fand ich echt heiß!"

"Wie kann man nur so schön sein?"

"Die ist so süß!"

"X ist meine Lieblingsschauspielerin!"

"Kannst du mich mit ihm bekannt machen?"

"Hat er eine Freundin?"

Diese Schwärmerei für Darsteller*innen aus dem Amateurtheater hat dabei einen ganz besonderen Reiz:
sie sind gar nicht so weit entfernt von einem. Die Möglichkeit, sie kennenzulernen, ist tatsächlich gegeben. Und die reelle Chance, zu überprüfen, wieviel die Rolle mit dem/der Darsteller*in tatsächlich gemeinsam hat.

Hinzu kommt noch ein interessanter Effekt, der beim gemeinsamen Spielen auftreten kann: man beginnt, für seine Mitspieler*innen zu schwärmen.

Denn auch wenn wir beim Theater vom Schauspielen sprechen, so erleben wir die Handlungen bei den Proben und Aufführungen immer wieder in einer eigenen Form der Realität. Unser Körper und unser Geist sind in die Handlung involviert und je authentischer wir eine Szene miteinander spielen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir – zumindest für einen kurzen Moment – wirklich in diese Realität eintauchen und genauso fühlen wie unsere Rolle.

An eine Probensituation erinnere ich mich dabei besonders deutlich:
Vor ein paar Jahren hatte ich den Plan "The Breakfast Club" als Freizeit-Projekt auf die Bühne zu bringen (Die Inszenierung kam leider nie auf die Bühne). Der Teenie-Film aus den 80er Jahren hat mittlerweile Kultstatus und zeigt auf besonders einnehmende Art und Weise fünf verschiedene Jugendliche, die gemeinsam Nachsitzen müssen. Aus anfänglichen Abneigungen und Vorurteilen wird im Laufe eines Tages Freundschaft und teilweise sogar richtige Anziehung.
Ich spielte Claire, eine Tochter aus reichem Hause, die sich in den Außenseiter-Rebell John verknallt. Mein guter Freund und Vorspieler Nils spielte John. Wir hatten für die Proben eine Klassenzimmer-Situation aufgebaut, immer zwei Tische nebeneinander, insgesamt vier Stück, an denen die vier Schüler saßen und vorn zum Aufsichtslehrer schauten. Claire saß vorn, ganz rechts, John an dem Tisch hinter ihr, aber weiter links. Während ein Gespräch zwischen anderen Rollen stattfand, sollten die beiden miteinander flirten – und das war aufregend! John wurde so überzeugend gespielt, dass nicht nur Claire Herzklopfen bekam, sondern auch ich, in echt. Für einen Moment schwärmte nicht nur Claire für John, sondern auch Sarah für Nils – und das mit vollem Gefühls-Einsatz.

Und genau das ist einer von vielen Punkten, die ich am Theaterspielen liebe:
Die Möglichkeit solche kleinen Momente zu erleben, Schwärmereien zu entwickeln, die ganz natürlich kommen und gehen, und die Chance zu haben, Rollen zu spielen, die so geliebt und umschwärmt werden.

Wenn ihr selbst mal wieder schwärmen wollt: kommt ins Theater und schaut zu!

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