#freitagsgedanken – Zeitlupe


Zeitlupe

Am Wochenende ging es los. Mit der Hitze.

In Schöneberg war das Lesbisch-Schwule Stadtdest und wie jedes Jahr wollten wir vorbeischauen. Da wir Samstags auch immer unseren Wochenvorrat an Gemüse auf dem Markt kaufen, wurde beides verbunden.
Kaum verließen wir das Haus, merkte ich bereits, das es hart werden wird. Und so war es auch. Die Sonne brannte auf unsere Köpfe und schon die kleine Runde über das Fest war ... warm.

Weil wir einen bestimmten Stand nicht gefunden hatten, ging es am nächsten Tag wieder auf's Fest. Es war noch heißer und ohne Sonnenhut kaum erträglich in den engen, heißen Gassen zwischen all den Menschen.

Kaum zu Hause, begann dann die Zeitlupe. Der Wetterbericht sagte eine lange Hitzeperiode voraus und wir verfielen in den Faultiermodus. Im Dachgeschoss wohnend, leben wir während einer Hitzewelle im Backofen.
Im Haushalt wurde nur das nötigste gemacht, und das direkt früh am Morgen oder spät am Abend.
Schwitzend saß ich in Unterwäsche vor dem Rechner, der hart mit der Hitze kämpfte. Lange ließ ich ihn nie an, aus Angst vor Überhitzung.
Dann schnappte ich mir ein Buch und lag in der Küche auf dem Sofa. Oder starrte apathisch die Katzen an, die apathisch zurückstarrten, lang auf dem Fußboden ausgestreckt, von der Hitze ermattet.
Oder ich setzte mich kurz in unseren Badezuber auf dem Balkon, der mit kaltem Wasser gefüllt ist.

Der überlebenswichtige Eistee-Sirup ging zur Neige. Zwei Tage schob ich es vor mir her, dann kaufte ich 16 Zitronen und kochte in Zeitlupe neuen Sirup. Wenn ich 4 Zitronen ausgequetscht hatte, machte ich Pause.
Nach gefühlten tausend Stunden war der Vorrat wieder hergestellt. Bis zum Ende der Hitzeperiode muss er reichen, noch einmal mag ich nicht ans Werk. Zu warm ist ein großer Topf mit kochender Flüssigkeit.

Eis ist ebenso wichtig. Jeden Tag mindestens eins, so will es das Hitze-Gesetz.

Wenn ich das Haus verließ, fühlte ich mich schwer. Ein vollgesogener Schwamm, der sich langsam über den heißen Asphalt schiebt. Müde, träge, verschwitzt und langsam im Denken.

Aber ich bin optimistisch. Irgendwann werden die Tage kürzer. Spätestens dann muss die Hitze abnehmen. Und dann kommt auch mein normales Lebenstempo zurück.
Bis dahin geht es irgendwie weiter – in Zeitlupe.

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