#freitagsgedanken – Fehler & Status


Fehler & Status

Wie auf Flügeln trug mich mein Auftritt am Samstag in diese Woche. Ich war stolz darauf, dieses Projekt wirklich geschafft zu haben, innerhalb von zwei Monaten dieses kleine Stückchen Märchen auf die Bühne gebracht zu haben. Ich hoffe, ich kann es noch öfter spielen, denn es liegt mir sehr am Herzen und macht einfach Spaß zu spielen.
Wenn ihr also Ideen für Auftrittsmöglichkeiten (z.B. Open Stages, bei denen auch 18-minütige Auftritte erlaubt sind) in Berlin habt: immer her damit!



Aber als ich so in die Woche hineinflog, kristallisierte sich ein Wochenthema heraus, das mir plötzlich jeden Tag in anderer Form begegnete und somit meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nämlich das Thema "Fehler".

Fehlerkultur ist immer ein schwieriges Thema und irgendwie unangenehm. Es ist mit Schuldgefühlen und vor allem Schuldzuweisungen verbunden. Diese Woche habe ich drei wunderbare Beispiele dafür geliefert bekommen ... und dazu noch eines, wie es denn im Optimalfall läuft.

1)
Am Dienstag traf ich mich mit Business Coach Michael Weyl. Ich kenne ihn seit meinem ersten LifeWorkCamp und wir haben uns sofort gut verstanden.
Michael war beruflich in Berlin und die Gelegenheit habe ich natürlich genutzt für ein Treffen im schönen Kreuzberg. Wir saßen in der Sonne und erzählten uns Geschichten von unserer Arbeit. Die Gemeinsamkeiten in den Gruppen, mit denen wir arbeiten, waren wieder verblüffend und ich sage es ja immer wieder: ob Projektteam in einer Firma oder Amateur-Theatergruppe – die Strukturen, Konflikte und die Gruppendynamik sind gleich.
Michael erzählte mir von einem Fall, den ich dann unter Status-Gesichtspunkten analysierte. Es ging nicht direkt um einen Fehler, aber darum, das Selbstvertrauen zu haben, um zuzugeben, dass man etwas nicht versteht und jemand anderen um Hilfe bittet. Aber da wir mit solch einem Eingeständnis des Nicht-Verstehens unseren eigenen Status massiv senken, fällt uns das enorm schwer. Vor allem, wenn uns das Gegenüber sowieso in einer Art natürlichem Hochstatus gegenüber steht.

2)
Perfider wurde es in Fall Nummer 2. Auf Facebook folge ich seit längerer Zeit PR Coach Marike Frick. Sie gibt tolle Webinare und Online-Kurse zum Thema PR-Arbeit. Ich finde sie sehr kompetent und mag ihre Arbeit.
Marike hat es jedoch gewagt, ein Bild zu posten, auf dem sie in einer Weinbar sitzt, und darunter schreibt, dass diese Bar teuer war und sie es genossen hat, auf einer ebenfalls teuren Reise sich so etwas gönnen zu können – sowie neue Kleider und teure Coachings dazu. Sie sagte, vor ein paar Jahren hätte sie sich das niemals leisten können, aber jetzt ist sie stolz auf das Erreichte und genießt es.
Zu Recht, wie ich finde!
Die Kommentare waren jedoch zwiegespalten: neben begeistertem Feedback gab es so einige negative Meinungen. Hier ein paar Beispiele:

"Buah...geht es nur um Zahlen, Leute? Schade..!"

"Bin ich der Einzige, dem dieses Posting ein wenig "großkotzig" vorkommt? Ich bitte den etwas vulgären Ausdruck zu entschuldigen, aber das trifft es einfach am Besten!
Bislang habe ich mir ihre Postings immer gerne angeschaut..."
"Ich kenne dich nicht also werde ich auch nicht über dich urteilen....Doch "anziehen" tut mich dieses Statement nicht...
Werde ich deshalb "arm sein" ?
Bestimmt nicht...Denn ich folge meinem Herzen und das führt mich zu den "richtigen" Menschen für mich.
Und so werde ich mich von deiner Seite wieder entfernen....Dennoch alles Gute auf deinem Weg."  
"Klar...Wenn sich genug blöde Tüffel finden,die dir in "Webinaren" die Kohle für nix nachwerfen,kannste auch weiterhin die Gräfin Rotz von Kaloderma raushängen,während man dir Tafellambrusko zu überhöhten Preisen undn Woolworth Fetzen mit Nobeletikett andreht..
Ohne mit der Wimper zu zucken "

Was sich durch alle diese Kommentare zieht: der Drang, Marikes Status zu senken und den eigenen gleichzeitig zu erhöhen. Eine natürliche Reaktion, die im Alltag oft vorkommt, aber in den sozialen Medien noch viel öfter.
Mein Lieblingsbeispiel war aber dieser schöne Verlauf:

Person A: "Diesen Erfolg gönnt Dir jeder. Du hast Dir das, wo Du jetzt stehst, hart erarbeitet.
Diesen Erfolg jedoch in diesem Postings mit dieser Art von Formulierung zu verarbeiten, ist auch meine Sache nicht. Es klingt auch mir ein Stück zu abgehoben und dabei ist mir egal, wie oft Du so etwas im Jahr machst, was der Wein genau kostet und wie viele Kleider Du in den letzten drei Wochen gekauft hast.„Was kostet die Welt? Wer hat der kann - und ich kann Dank Euch, die ihr fleißig meine Webinare bezahlt“ hat doch ein wenig Beigeschmack..."
Marike: "Meine Webinare sind kostenlos."

Person A: "Marike - da musste ich kurz überlegen, ob ich antworte 🤔 Okay, ich mach’s: Also streiche das Wort Webinare und setze genau das Wort - an EXAKT dieser Stelle ein - mit dem Du bei Deinen Kunden Geld verdienst 🙄 Puh..."

Marike: "Passt schon :-D Wer fleißig meine Kurse bezahlt, bekommt ja auch viel dafür. Jedenfalls sind meine Kunden sehr zufrieden. Dass die "Was kostet die Welt"-Attitüde nicht jedermanns Ding ist, habe ich aber deutlich gemerkt und werde ich auf mich wirken lassen.
Danke jedenfalls an alle, die sich hier (wie du) um echte Debattenbeiträge bemühen. Es nervt, wenn mir einfach nur Geldgier unterstellt wird. So isses nämlich nicht.
"
Ein beispielhaftes Statusspiel, was hier gespielt wurde:
Person A hat erst Marikes Status erniedrigt, dabei aber einen sachlichen Fehler gemacht (das Wort "Webinar" für die zahlungspflichtigen Dienstleistungen benutzt), den Marike sofort genutzt hat, um den Status von Person A durch eine Richtigstellung zu senken.
Person A MUSS nun natürlich den eigenen Status wieder erhöhen ("da musste ich überlegen, ob ich antworte" + "Puh").
Und Marike hebt geschickt ihren eigenen Status ("Wer fleißig meine Kurse bezahlt, bekommt ja auch viel dafür.") und senkt ihn gleich danach, indem sie den von Person A und anderen hebt ("Dass die "Was kostet die Welt"-Attitüde nicht jedermanns Ding ist, habe ich aber deutlich gemerkt und werde ich auf mich wirken lassen. Danke jedenfalls an alle, die sich hier (wie du) um echte Debattenbeiträge bemühen.").
Am Schluss hebt sie aber wieder den eigenen Status aktiv ("Es nervt, wenn mir einfach nur Geldgier unterstellt wird. So isses nämlich nicht."). So eine gute Status-Spielerin! Chapeau!


3)
In meinen Gruppendrang-Kursen bleiben Konflikte natürlich nicht aus, die gehören zur Gruppenarbeit – besonders in der Entstehungsphase – einfach dazu.
Am Mittwoch gab es ein Gespräch mit zwei Gruppenteilnehmern, in dem es auch um das Thema Schuld ging. Wenn ich etwas in guter Absicht tue, sich andere dadurch aber nicht so gut fühlen wie gehofft, bin ich dann Schuld am Unwohlsein der anderen? Wenn man Schuld als ein objektives Wort benutzt: ja, natürlich. 

Aber leider ist Schuld ein extrem negativ behaftetes Wort. Und deshalb meide ich es gern, denn es trägt nicht gerade zu Problemlösungen bei.
Denn es ist doch eigentlich so, dass wir alle Dinge tun, die mal klappen und mal nicht. Das ist normal, das ist natürlich, das nennt man Entwicklung. Und es ist vor allen Dingen enorm wichtig, dass Dinge schief laufen – für alle Beteiligten. Denn nur so kann eine Veränderung stattfinden, nur so können Bedürfnisse erkannt und kommuniziert werden. 




4)
Wie gerufen kam da die Star Trek Folge "Disaster" aus der 5. Staffel von "The Next Generation". Nach einem Notfall und Ausfall des Computers sind die Crew-Mitglieder in verschiedenen Teilen des Raumschiffes "gefangen". Plötzlich müssen sie Posten und Rollen übernehmen, die für sie neu und ungewohnt sind. 

Zwei Frauen geraten aneinander, weil eine den Chefposten inne hat, aber darin unerfahren ist, die andere jedoch Schwierigkeiten mit Autoritäten hat. 
Diejenige mit dem Chefposten trifft eine Entscheidung, die die andere nicht gutheißt. 
Am Schluss stellt sich aber diese Entscheidung als genau die richtige heraus.
Anstatt beleidigt zu sein, weil sie Unrecht hatte, springt die Unterlegene über ihren Schatten und sagt: 

"I´m sorry, I´ve been wrong."
Und anstatt den eigenen Hochstatus auszukosten und ihn zu untermauern, sagt die Chefin:
"You could have easily been right."

Diese simplen zwei Sätze fand ich so wunderschön, dass ich sie mit euch teilen musste.

Wir müssen nicht um unseren Status kämpfen. Wir können auch einfach anderen mal einen hohen Status gönnen. Uns wird dadurch nichts kaputtgemacht, wenn wir auch mal Schwächen und Fehler zugeben und unseren Status senken. 
Im Gegenteil: diese Fähigkeit ist für uns und den anderen ein unglaubliches Geschenk.


Kommentare

  1. Liebe Sarah, ich finde Deine Status-Analyse dieser Situationen sehr, sehr gut. Generell denke ich gerade, dass Status _DIE_ zentrale zwischenmenschliche Wirkungskategorie ist... Und gleichzeitig eines der Themen, das am meisten tabuisiert ist überhaupt - tabuisiert im Sinne von: Es wird selten öffentlich gemacht geschweige denn, öffentlich darüber gesprochen auf einer Metaebene. Warum das so ist, darüber habe ich Vermutungen und Hypothesen, aber keine abschließende Antwort.

    Gut ist es halt, wenn alle Beteiligten in der Lage sind (wie Du in dem Töpfer-Artikel schreibst), die Wippe zu beherrschen und im Status hoch und runter gehen zu können. Leider erlebe ich, dass es immer wieder Leute gibt, die das nicht können - aus welchem Grund auch immer. Hier würde man wohl in Therapie + Coaching ansetzen und schauen, woran es liegt, was die Hintergründe sind, dass einige Personen im Status nicht runter, andere nicht so gut hoch gehen können. Wie da vielleicht frühkindliche Prägungen, frühe Beziehungen und andere Erfahrungen dazu beigetragen haben, dass dieser Mechanismus bei einigen Menschen etwas "eingerostet" oder auch "eingerastet" ist.

    Hinzu kommt (und darüber hatten wir ja auch schon mal gesprochen), dass es irgendwie so einen unausgesprochenen Konsens zu geben scheint, dass der Hochstatus, also der, der die Macht hat, irgendwie besser ist - gerade unter Männern gibt es vielfach diesen Glauben (aber auch unter Frauen :) ). Dabei kann der Tiefstatus genauso Macht ausüben: Erinnern wir uns an Keith Johnstone, nach dem sowohl Hoch- als auch Tiefstatus sowohl Verteidigungs-, als auch Manipulationsmechanismen sind! Denn natürlich kann auch ein Tiefstatus Macht ausüben: Indem ich mich als klein und bedürftig und unbeholfen hinstelle, kann ich ideal andere nach meiner Pfeife tanzen lassen! "Dem armen Opfer muss geholfen werden." Von wegen Opfer... Es gibt einige solcher "Opfer", die 1a die Fäden in der Hand halten und andere schön an ihren Strippen tanzen lassen, ohne dass sie dazu dominant sein oder Gewalt oder Kontrolle ausüben müssten.

    Aber was mich eigentlich beschäftigt: Warum ist dieses Thema so ein Tabu? Warum sprechen wir nicht mehr und öffentlicher (auf einer Meta-Ebene) über dieses permanente gegenseitige Auf- und Abwerten? Und warum fällt es vielen so schwer, anderen Status zu geben und ihnen auch mal einen hohen Status zu gönnen?

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    1. Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, Claudia.:)

      Du hast vollkommen recht, es wird viel zu wenig offen über Status gesprochen. In meinen Workshops erlebe ich oft eine große Unsicherheit und Scham, sobald die Leute verstanden haben, was ich mit Statusverhalten meine. Da wird ein natürliches Verhalten auf einmal aktiv benannt und hat auch noch einen Namen, der so klingt wie eine Wertung (Hochstatus vs. Tiefstatus). Ganz oft ist es so, dass die Teilnehmer zu Beginn eines Workshops den Hochstatus bevorzugen, vom Körpergefühl her. Sobald sie dann in improvisierten Szenen merken, wie sich Hochstatus verhält, rudern sie zurück und finden dann oft den Tiefstatus besser. Irgendwann sind sie ganz ratlos und haben das Gefühl, "überhaupt nichts machen zu dürfen", weil ja alles gleich als Hoch- oder Tieftstatushandlung erkannt wird.
      Erst, wenn sie sich länger damit beschäftigen setzt eine Art Entspannung ein, sie können es leichter benennen und sie haben mehr Spaß an den Verhaltensweisen, egal ob hoch oder tief. Und so soll es ja sein.

      Und ja, viele kommen nicht aus ihrem "Standard"-Statusverhalten raus. Ich glaube, das hängt ganz viel mit Selbstvertrauen zusammen. Eine große Bandbreite an Verhaltensweisen zu bedienen, erfordert Selbstsicherheit und ein Vertrauen in sich selbst. Das ist nicht jedem gegeben. Dabei kommen wir weiter und sind insgesamt ausgeglichener, wenn wir beides bedienen können und wollen.

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