"Gespenster" - Deutsches Theater Berlin



"Muss ein Kind seinen Vater lieben?"

Das Licht ist kühl, die Figuren auf der Bühne wirken privat und distanziert zugleich, sie hüpfen und tanzen, gehen von der Bühne ab und kommen wieder auf, sie tuscheln, sie betrachten das Publikum und sind immer ein bißchen weit weg.
So findet der Einstieg in die Inszenierung "Gespenster" von Sebastian Hartman am Deutschen Theater statt, die Ibsens "Gespenster", Strindbergs "Der Vater" und Heines "Deutschland. Ein Wintermärchen" miteinander verflicht.
Die Inszenierung beginnt fast unmerklich, eine Gestalt löst sich aus dem Hintergrund, kommt nach vorn und beginnt zu singen, einen Text von Heinrich Heine. Es ist Linda Pöppel, mit der ich lustigerweise in der Schule im Kurs Darstellendes Spiel auf der Bühne stand. Sie singt ein bißchen rau, traurig, kräftig und schön. Ein Pianist und ein Gitarrist begleiten sie, raffiniert in der Loge neben der Bühne wie auf einer Mini-Bühne platziert.

Der Beginn legt auch gleich die Stimmung der Inszenierung fest: düster, seltsam fremd und gleichzeitig intensiv und kraftvoll, ja sogar brutal. Eine Collage, die besonders die Beziehungen zwischen Mutter, Vater und Kind in den Fokus rückt. Die Optik wirkt historisch, fast puritanisch, mit schwarzen Wallegewändern, einer kargen Bühne und dem sparsamen, aber gezielten Einsatz von Licht.

Und vor dieser schwarz-weißen Kulisse, die mich besonders in dem Moment flasht, als animierte Illustrationen auf den Hintergrund projiziert werden und einen in einen regnerischen, düsteren Märchenwald versetzen, werden wichtige Familienfragen verhandelt, zeitlose Fragen zu den Beziehungen zwischen Kindern und Vätern, Kindern und Müttern und zwischen Elternpaaren.
Wem steht das Kind näher? Wer liebt es mehr? In wem zeigt sich das Erbe der Eltern? Und sind wir überhaupt Individuen mit eigenen Entscheidungen oder nur Gespenster, die alles in sich tragen, was in der Geschichte der vorherigen Generationen passierte?
Trotz der Härte und des intensiven und extrem körperlichen Spiels, trotz der poetischen Momente, gibt es auch lustige Stellen, grandios gespielt.
Mein lautes Lachen empört aber die Moralpolizei, in Form dreier älterer Frauen neben mir, die sich etwas cartoonesk immer nacheinander mit zugekniffenem Mund zu mir umdrehen, wenn ich laut auflache. Aber irgendwas ist ja immer, in diesem Fall eigenartige Sitznachbarn.

Es ist eine Inszenierung zum Staunen, zum Lachen und zum Weinen. Und Theater in Reinform.
 

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