Genauigkeit - Blogreihe #wertekatalog

Es ist Value-Friday und es geht weiter mit der Blogreihe #wertekatalog,

Der sechsunddreißigste Wert ist:


GENAUIGKEIT


Wikipedia sagt:
Genauigkeit ist ein Begriff, der in sämtlichen Wissenschaften eine zentrale Rolle spielt. Genauigkeit bedeutet Sorgfalt, Gründlichkeit, Richtigkeit, Zielgerichtetheit, Übereinstimmung.
Der Begriff Exaktheit (von lateinisch: exigere abwägen) wird beispielsweise in der Wortkombination exakte Wissenschaften benutzt. Dies bedeutet, dass die Erkenntnisse dieser Teilwissenschaft in allen Einzelheiten nachvollziehbar und überprüfbar sind. Eindeutige Gesetzmäßigkeiten wurden erkannt, die genaue Vorhersagen erlauben. Diese wurden durch mehrfache Experimente oder Beobachtungen durch unabhängige Stellen bestätigt (siehe Wissenschaft). In diesem Sinn werden beispielsweise die Naturwissenschaften, im Gegensatz zu vielen Geisteswissenschaften und der Theologie, als exakt bezeichnet.
[...] (https://de.wikipedia.org/wiki/Genauigkeit)

Genauigkeit und ich führen eine On-Off-Beziehung.
Ich bin generell ein Mensch mit Liebe für Details, und neue Werke und Projekte entstehen in der Regel zuerst aus solch einem Detail. Beim Theater ist dieses Detail oft ein Kostümoder ein Requisit, bei Workshops und Trainings ist es ein Zitat, ein Meme oder ein Ort.
Ich habe generell eine Art des Sehens, die von Detail zu Detail switcht anstatt die Gesamtheit im Blick zu haben.
Dennoch bin ich gar nicht so perfektionistisch. In künstlerischen Aspekten, bei Workshopabläufen, im Alltag ... ich neige schnell dazu zu sagen: passt schon, ich lass das jetzt so. Ich bin ein Freund des Unperfekten und der Improvisation - besonders dann, wenn das Ergebnis durch einen leichten Unperfektionismus charmanter wirkt.
Bei Inszenierungen im Amateurtheater ist Unperfektheit zum einen kaum vermeidbar, zum anderen in meinen Augen essentiell. Denn genau diese macht den Charme des Amateurtheaters aus.
Dennoch heißt das nicht, dass man nicht genau sein kann oder sollte.
Genau zu sein, bedeutet etwas ernst zu nehmen, sich Mühe zu geben, stimmig sein zu wollen.

Wenn ich genau arbeite, habe ich längerfristig etwas davon - eine Erkenntnis, die ich bei all meinen Umzügen mühselig beim farbigen Streichen meiner Wände gelernt habe. Auf eine gerade Abschlusskante zu blicken, ist einfach befriedigender. Wenn es dann mal ab und zu kleine Patzer gibt, macht das nichts. Ein Patzer lässt sich leichter ausbessern als eine generelle Ungenauigkeit.

In meiner Arbeit bin ich gern genau. Für unsere Inszenierung "Weiße Katze", die in einem Nachtclub im Berlin der 20er Jahre spielte, steckten mein Spielpartner und ich extrem viel Aufwand in die Recherche. Wann gab es die ersten Telefone für zu Hause? Welche Künstler lebten und arbeiteten wann in Berlin? Wer war mit wem befreundet? Welche Filme, Songs und Theaterstücke waren 1928 populär?
Durch diese genaue Recherche konnten wir eine stimmige Geschichte bauen, deren Details zwar ausgedacht, aber realistisch zur Zeit passend waren und somit für mehr Authentizität sorgten.
Auch in Filmen oder Serien freut man sich, wenn das Rechercheteam gut arbeitet und die Kostüme passend zur Zeit gewählt werden ... gern auch bis ins kleinste Detail.

Diese Genauigkeit auf der Bühne kann aber statt einer ausgiebigen Recherche auch einfach eine generelle Detailliebe sein. Sie kann bedeuten, die Reaktionen des zuhörenden Parts herauszuarbeiten und für das Publikum gut sichtbar zu machen. Sie kann bedeuteten, Requisiten liebevoll auszuwählen und aktiv ins Spiel einzubinden - wie in unserem Live-Hörspiel "eins, zwei, drei".
Genauigkeit kann man also auch als eine Wertschätzung an das Publikum sehen.

Eben diese Wertschätzung ist mir auch in meinen Workshops wichtig. Ich versuche Genauigkeit in meine Aufgabenanweisungen einfließen zu lassen. Oft klappt es gut, manchmal gar nicht. Dann überlege ich, wie ich beim nächsten Mal, eine genauere und leichter verständliche Erklärung gestalte. Ich versuche nicht mit Fachbegriffen um mich zu werfen, sondern genaue Definitionen zu nennen, um eine gemeinsame Basis für weitere Überlegungen, Diskussionen und Erkenntnisse zu haben.
Genauigkeit kann uns helfen, einander besser zu verstehen. Wenn wir genau schildern, wie es uns geht, was wir empfinden und was wir uns von unserem Gegenüber wünschen, profitieren wir alle davon.

Genauigkeit ist keine Perfektion. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als die Liebe und Aufmerksamkeit, die wir einer Sache zukommen lassen.

Theodor Fontane hat das sehr schön zusammengefasst:

Foto: "eins, zwei, drei", Die Genossenschaft: https://www.facebook.com/GenossenschaftBerlin

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