#freitagsgedanken – "Wunder" der Natur


"Wunder" der Natur

Am Sonntag verschafften wir uns noch ein bißchen Extraurlaub, da der eigentliche Wien-Urlaub nicht ganz den erhofften Effekt hatte.
Wir waren für einen Tag an der Ostsee, fuhren mit der Fähre auf eine kleine Landzunge mit Yachthafen und passenden Yachtbesitzerwohnungen in einer Art "Gated Community". Direkt daneben gab es einen kleinen, ganz puren, ruhigen Strand, mit wunderschönem Dünen-Wald-Streifen dahinter.

Als wir mit er Fähre wieder zurück Richtung Festland setzten, schaute ich auf die großen Transporter, auf die Segelschiffe und die verschiedenen Fähren, dreht mich um und sagte zu meinem Mann, dass mich wundert, warum Werke der Menschen nie als Wunder der Natur bezeichnet werden.

Ab dem Moment, in dem ich lernte, dass der Mensch zu den Säugetieren gehört, war meine Verwunderung darüber groß, dass der Mensch sich anscheinend als nicht zur Natur gehörig empfindet. Der Begriff "Natur" wird meist im Gegensatz zum Menschen verwendet. Als wäre der Mensch ein künstliches und kein natürliches Wesen.
Wenn dann der Mensch in "die Natur" geht, bestaunt er, was "diese Natur" alles so erschafft. Dabei ist er selbst ein Teil dieser Natur, dabei erschafft er selbst wunderbare Dinge.

Dokumentationen, die faszinierende Tiere und ihre Verhaltensweisen und Lebensräume zeigen, haben oft die Worte "Wunder der Natur" im Titel. Das irritiert mich, da es einen Widerspruch in sich darstellt. Eine Dokumentation hat immer eine Art wissenschaftlich-objektiv-beobachtenden Charakter. Die Phänomene, die in Dokumentationen gezeigt werden, werden dort in der Regel auch wissenschaftlich erklärt.
Wenn ich auf Wikipedia die Definition von "Wunder" anschaue, finde ich folgendes:
Als Wunder (griechisch θαῦμα thauma) gilt umgangssprachlich ein Ereignis, dessen Zustandekommen man sich nicht erklären kann, so dass es Verwunderung und Erstaunen auslöst.
Aber es wird doch erklärt. Es ist doch untersucht worden, um eine Erklärung zu finden. Wieso ist dann von einem "Wunder" die Rede?

Wenn Vögel aufwendige Nester bauen, wenn  Spinnen riesige Netze knüpfen, wenn Vogelschwärme in perfekten Konstellationen fliegen und Pflanzen auf den trockendsten Böden sprießen, wird von "Wundern" gesprochen.
Wenn Menschen Schiffe, Flugzeuge, Raumstationen und architektonische Meisterwerke bauen, wenn sie Symphonien komponieren und im Orchester spielen, wenn sie neue Kunstformen ausprobieren, wissenschaftliche Untersuchungen anstellen, Demokratie entwickeln – dann spricht niemand von einem "Wunder".

Wir Menschen machen viel Scheiß. Wir machen aber auch viel Schönes und Bewundernswertes. Genauso wie die anderen Tiere auf diesem Planeten auch.
Ein einzelner Marienkäfer auf einem taubesetzten Grashalm ist nur deshalb so schön, weil er in dem Moment gerade nicht in riesigen Schwärmen als Plage über die Nordseestrände herfällt.

Ich sehe die Welt und all ihre Bewohner nicht als Wunder. Zuviel wurde schon erforscht, zuviel wissen wir schon darüber, wie wir entstanden sind. Dennoch fasziniert mich diese Entwicklung. Ich betrachte sie mal mit Erstaunen, mal mit Erschrecken, aber die meiste Zeit mit Neugierde.

Neugierde darauf, wie sich diese Erde weiter entwickeln wird, was mit der Tier- und Pflanzenwelt passiert.
Und es ist ein beruhigender Gedanke, doch einfach nur ein Teil dieser Natur zu sein.









Kommentare

  1. Sehr schön geschrieben, da kann ich mich in vielen Punkten wiederfinden! :D

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