"Theaterspielen ist entspannend für den Kopf." - Interview mit André Schneider

Bei einem meiner Theater Meet Ups lernte ich André Schneider kennen. Er ist Veranstalter der Theaterreihe "Theater à la carte" und auch sonst im Theaterbereich sehr aktiv. Es wurde also Zeit für ein Interview!


André, ich kenne dich als Veranstalter von „Theater à la carte“, habe zugeschaut und bin dort auch selbst schon aufgetreten. Was ist das für ein Veranstaltungsformat und wie bist du darauf gekommen?

Foto: Kodo Miura
Ich hab halt vor ein paar Jahren wieder Lust bekommen, Theater zu spielen und da hätte ich mir auch eine Theatergruppe suchen können oder sowas. Aber da ich hier in dem Verein bin und hier die Möglichkeit habe, die Räumlichkeiten zu nutzen, und das quasi mein zweites Wohnzimmer ist, hatte ich Lust, selber etwas zu machen und habe mit zwei Leuten angefangen hier Theater zu machen, kleine Sketche. 
Es hat sich dann bei der Arbeit mit den beiden herausgestellt, dass es ganz gut war, dass wir mit den Sketchen angefangen haben, denn es waren immer 2-Personen-Szenen und wir haben es irgendwie nie geschafft, uns zu dritt zu treffen. 
Dann ruhte es ein bißchen, weil die beiden andere Dinge zu tun hatten und abgesprungen sind. Da hatte ich dann die Idee zu „Theater à la carte“. Mir ging es darum, eine regelmäßige Veranstaltung zu machen mit kleinen Szenen, zu denen ich mir Gastgruppen einlade, denn ich allein schaffe es nicht, alle zwei Monate ein volles Programm zu machen.
Tatsächlich auf die konkrete Idee kam ich bei einem Firmenevent von der Firma, für die ich arbeite. Wir waren bei einem Abendessen und da dachte ich mir: warum nicht eine Speisekarte mit Theaterstücken drauf?
Außerdem haben wir hier im Verein eine Bar, die uns mitfinanziert. So war auch noch der Hintergedanke dabei, eine Veranstaltung mit mehreren Pausen zu machen, in denen die Zuschauer Getränke kaufen können. Also ein Event, das die Bar beleben kann. So entstand „Theater à la carte“. 
Ich bereite dafür eine Speisekarte vor mit Theaterstückchen, bestehend aus Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise. Pro Gang gibt es zwei Wahlmöglichkeiten und das Publikum wählt sich sein Menü aus. Ein bis zwei Gänge bestreite ich selbst, für den Rest lade ich mir Gastgruppen ein.


Wie bist du noch im Verein WerkStadt e.V. aktiv, außer mit Theater? Und wie bist du in den Verein gekommen?

Die WerkStadt gibt es seit 2008 und von den sieben Gründungsmitgliedern kannte ich drei Leute, hab hier also oft rumgehangen und auch Barschichten übernommen. So bin ich dann langsam in den Verein reingekommen.
Seit drei Jahren bin ich im Vorstand und helfe mit, wo ich kann. Es ist ein Kunst- und Kulturverein, wir haben wechselnde Ausstellungen und Ateliers für günstige Preise, die wir an Künstler vermieten. Hier passiert viel Projektarbeit. Unser größtes Projekt ist der Kinder-Kultur-Monat, ein Programmheft voll mit kostenfreien Kunst-und-Kulturveranstaltungen für Kinder, z.B. eine Führung durch die Philharmonie. Es sind teilweise Angebote, die es schon gibt, und teilweise neue Angebote, die extra für den Kinder-Kultur-Monat entwickelt werden. Wir übernehmen dafür die Öffentlichkeitsarbeit.
Es gibt auch Kunstprojekte für Schulklassen, in denen Künstler mit Pädagogen zusammen mit einer Klasse über mehrere Wochen hinweg ein Kunstprojekt machen. Oder auch Umweltprojekte und Projekte für´s Quartiersmanagement.


Dein Engagement in der WerkStadt ist rein ehrenamtlich, oder?


Ja, das mache ich nur in meiner Freizeit, ich verdiene hier keine müde Mark. Ich bin eigentlich von Beruf Softwareentwickler. In meiner Arbeitszeit bin ich zum Glück recht flexibel und arbeite nur 4 Tage die Woche. So habe ich Zeit für Theaterprojekte, auch außerhalb der WerkStadt.


Stimmt, ich habe dich mit den „Polyrealisten“ auf der Bühne gesehen.


Ja, das ist ein Theaterprojekt an der Schaubühne. Das war total interessant und ich kann es jedem empfehlen. Es wird aber immer schwieriger, sich dort zu bewerben. Im ersten Jahr haben sich 16 Leute beworben, die sind alle reingekommen. Im zweiten Jahr waren es 90, da mussten sie dann auslosen, wer mitmachen darf. Bei uns waren es 170 und dieses Jahr werden es bestimmt mindestens 200 Bewerber sein. 
Ich werde mich aber dieses Jahr nicht nochmal bewerben, weil ich Lust habe, noch andere Sachen auszuprobieren. Vielleicht einen Schauspielkurs, der mehr in die Tiefe geht, oder die Spielleiter-Ausbildung an der Volkshochschule Neukölln. Mal schauen.


Für die WerkStadt inszenierst du ja kleine Stücke. Schreibst du die Texte selbst?


Wir haben mit Fremdtexten angefangen und wollten dann irgendwann was anderes ausprobieren. Erst wollte ich Texte umschreiben, habe aber gemerkt, dass es schwierig ist, da passende Vorlagen zu finden, also habe ich angefangen, die Texte für die Szenen komplett selbst zu schreiben. Der Vorteil ist natürlich auch, dass die Rechte an den Texten dann auch komplett bei uns liegen.


Und natürlich noch die Standard-Frage: Warum Theater?

Es gibt häufig die Antwort: „Weil ich da andere Sachen ausprobieren kann, andere Leben ausprobieren kann.“ Das empfinde ich eigentlich nicht so. 
Ich würde mal sagen, auf der Bühne weiß ich, was ich zu tun hab. Es gibt keine Fragen. Im wirklichen Leben muss man immer was bedenken, auch bei den Proben kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist, was man da macht. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, dann zieh ich mein Ding durch. Dann gibt es nichts außer das Spiel. Und irgendwie ist das schön. Einfach mal quasi meinen Kopf zu entspannen. Theaterspielen ist entspannend für den Kopf.


Ja, finde ich auch!

Einfach mal loslassen. Wenn man selber Theater macht und selber Sachen schreibt und inszeniert, dann fragt man sich natürlich: Ist das gut? Was kann ich anders machen?  Dann hat man auch mal Zweifel und es gibt kurz vor den Aufführungen hier in der WerkStadt immer so den Moment, wo ich denke: Wozu mach ich den Scheiß hier eigentlich? Aber da bin ich auch Veranstalter, das ist der Grund. Das ist so ein Moment der emotionalen Erschöpfung. Aber sobald es auf die Bühne geht, ist das alles weg. Das macht Spaß, das ist gut, ich weiß, was ich zu tun habe, mein Kopf ist frei von allem anderen Scheiß.
Ich hab auch das Gefühl, auf der Bühne kann ich mehr. Mehr sein. Auf der Bühne bin ich frei, Sachen zu machen, weil sie notwendig sind. Weil sie jetzt, in dieser Situation, sein müssen. Ich hab keine Zweifel.
 


Findest du dann das Schauspielen besser als das Inszenieren?

Es hat beides seine schönen Seiten. Das Inszenieren ist anstrengender, weil es mehr mit Zweifeln verbunden ist. Man kann aber auch mehr gewinnen, finde ich. Wenn was Gutes bei raus kommt, ziehe ich da mehr raus als wenn ich bloß eine Rolle gespielt hab. Theaterspielen ist eher Entspannung und beim Inszenieren kann ich mehr stolz auf das Endprodukt sein. Weil ich weiß, das ist von mir.


Alle weiteren Informationen zu WerkStadt und zu "Theater à la carte" findet ihr hier:
https://werkstadt.berlin/

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