Über Tod und Leben ... Abschied von 2016



Was für ein Jahr ...

Ein Jahr des Abschieds. Ein Jahr, in dem unzählige Menschen starben.
Der Tod hat uns dieses Jahr auf Schritt und Tritt begleitet. Er zeigte sich uns in den Medien, fand weit weg und direkt vor der Haustür statt.

Der Tod betraf nicht nur fremde Menschen, er betraf auch Bekannte, Freunde ... und mich.
Auch ich musste Abschied nehmen.
Im November ist mein Großvater gestorben. Ein Mensch, der mir als Kind sehr wichtig und später leider nicht mehr so nah war. Dennoch war ich traurig. Die Nachricht erreichte mich in meinem Wien-Urlaub, gleich am dritten Tag. Ich hatte es geahnt, dass er genau dann sterben wird, wenn ich weg bin.
Die Urlaubstage waren eigenartig. Teilweise wunderschön und teilweise furchtbar traurig. Es waren Tage voller Tränen. Tränen der Trauer und Tränen der Rührung. Mal weinte ich auf dem Dach des Haus des Meeres in Wien, weil ich dort im Nieselregen stand mit dem Wissen, dass ich lebe und so etwas wunderbares sehen kann. Mal übermannte mich die Musik beim "Hollywood in Vienna"-Konzert. Und es gab diesen einen Moment im Naturhistorischen Museum, als ich ahnte, dass die Abteilung mit den Tieren des Waldes nicht ganz einfach wird, da mein Opa Jäger war - und sich diese Vorahnung bestätigte. Kaum sah ich die ersten Hirsche, kamen die Tränen. Ich stellte mich ans Fenster und blickte auf das abendliche Wien bis der Moment vorüber war.


Mit dem Tod kam der Abschied. Der Abschied von meinem Großvater und der Abschied von allem, was mit diesem Menschen verbunden war. Ein letztes Mal war ich im September auf seinem Grundstück. Auf diesem Stück Land und in dem Haus, das er Jahrzehnte lang mit meiner Großmutter bewohnte. Das Haus, in dem meine Mutter aufwuchs und in dem auch ich unzählige Ferien meiner Kindheit verbrachte. An diesem Tag wusste ich, dass ich voraussichtlich das letzte Mal an diesem Ort sein werde. Ich hatte meine Kamera mitgebracht und fotografierte alles. Jeden Winkel, jeden Raum, jedes Stück des Gartens. Ich fotografierte Bäume voller Äpfel, Spinnweben an den Decken, alte Honigwaben, Geweihe, gestapeltes Holz und Schnecken.

Auf diesem Grundstück waren Tod und Leben ständige Themen. Mein Großvater war Landwirt, Jäger und Imker. In meiner Kindheit war ich mit vielen Tieren konfrontiert, toten und lebenden. Ich war es gewohnt, den Lebenszyklus eines Tieres komplett mitzuerleben, ein Kaninchen sowohl zu füttern als auch später zu essen. Ich war mit im Wald auf Pirsch, immer ohne Gewehr, da ich Angst vor dem lauten Schuss hatte. Auf dem Hochsitz bin ich regelmäßig eingeschlafen und wurde in wunderbaren Momenten wieder geweckt, mit dem Blick auf eine mondbeschienene Lichtung voller Hirsche.



Mit dem Tod tun wir Menschen uns meist nicht so leicht. Die Angst vor dem Tod ist allgegenwärtig. Doch ich denke, dass das Sterben schlimmer ist. Das Sterben ist ein schmerzhafter Prozess, manchmal ein schleichender und langwieriger.
Vor einigen Jahren starb meine eine Großmutter. Innerhalb weniger Monate kam sie zuerst in ein Krankenhaus, dann in ein Hospiz. Ich besuchte sie jeden zweiten Tag. Es gab Tage, da war sie gut gelaunt und sehr wach, dann schmuggelte ich heimlich ein Eis in ihr Zimmer, auf das sie sich so freute, oder brachte ihr einen Strauß Tulpen mit. Es gab aber auch Tage, in denen sie Angst hatte, ich ihr tapfer ihre Hand haltend Mut machte und danach draußen auf der Parkbank für mich allein die Tränen laufen ließ. Und es gab diese Tage, an denen ich ins Zimmer kam und sie mich nicht wahrnahm, betäubt durch die starken Schmerzmittel. Dann sagte ich nur kurz Hallo und ging wieder.

Bei ihrem Tod war ich nicht bei ihr, sie starb genau an einem der Tage zwischen meinen Besuchen. Und es war gut so. Ich war erleichtert und traurig zugleich.


An diese Zeit musste ich in diesem Jahr oft denken. Meine Katze wird alt. Dieses Jahr war ein anstrengendes Jahr für sie. Heute wurde sie zum dritten Mal operiert. Es gab außer einem baldigen Tod keine Alternative. Es geht ihr gut zwischen diesen Zeiten, in denen immer wieder etwas nachwächst, was schon einmal entfernt wurde.
In ein paar Monaten oder ein paar Jahren werde ich entscheiden müssen, wann mein Haustier stirbt. Ich werde vermutlich dabei sein, wenn es stirbt. Und ich habe Angst davor. Ich denke, das ist normal.
Wir alle haben Angst vor Tod und Sterben. Wir haben Angst vor Abschieden.
Aber sie gehören zum Leben dazu.

Wir gehen Partnerschaften ein, wir bekommen Kinder, wir betreuen unsere Eltern, wir haben Haustiere. Diese Entscheidungen treffen wir, obwohl wir wissen, dass all diese Lebewesen irgendwann sterben. Einige von ihnen vor uns.
Das Leben ist so simpel - und so schwer. Der Tod ebenfalls.


Ich will keine Angst vor dem Tod haben. Ich tue alles, um das Leben zu leben, das mir Freude macht. Nein, ich möchte jetzt nicht sterben, denn ich möchte noch viel mehr wunderbare Dinge tun. Aber wenn ich jetzt sterben müsste, dann in der Gewissheit, dass ich ein großartiges Leben hatte. Dass ich andere und mich selbst zum Lachen gebracht habe, dass ich anderen und mir selbst helfen konnte, dass ich Fähigkeiten gelernt und genutzt habe, dass ich es mir und anderen so schön wie möglich gemacht habe.
Die Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten lebt ein fremdbestimmtes Leben. Viele, weil sie keine Wahl haben. Aber leider auch viele, obwohl sie eine Wahl haben.

Vor uns liegt eine Zukunft, die die Illusion der Sicherheit, die wir sowieso nie hatten, nicht mehr beinhaltet. Wir sind nie sicher und wir waren nie sicher. Der Tod wartet jeden Tag auf uns, an jeder Ecke - in Form einer Krankheit, eines Autos, einer Leiter.
Jeder Tag, den wir überleben, ist ein Geschenk, das wir zelebrieren sollten.
Lasst uns die Zeit nutzen und tun, was uns Freude macht! Lasst uns Geld verdienen mit etwas, was uns Spaß macht! Lasst uns essen, was uns gut tut! Lasst uns forschen! Lasst uns Pläne schmieden! Lasst uns einander besser verstehen! Lasst uns kreativ sein! Lasst uns diese wunderbare Welt erhalten, die wir haben!
Lasst uns glücklich sein!



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