Warum man als Chef in die andere Rolle schlüpfen sollte



Es gibt verschiedene Wege, Führungskraft zu werden. Vielleicht hat man einen Beruf gelernt, ihn eine Weile lang gemacht und ist dann eine oder mehrere Ebenen nach oben gewandert. Vielleicht wurde man direkt in die höhere Position gesetzt - aufgrund von Ausbildung oder Erfahrung in einem anderen Job. Vielleicht impliziert aber auch der Beruf, dass man sowieso Leiter ist ... so wie z.B. bei mir als Theaterpädagogin.
Eines aber haben alle Wege gemeinsam: man verliert mit der Zeit das Gefühl für die Arbeit seiner "Schützlinge".
Man gesteht sich das nicht so schnell ein und wenn man diese Arbeit jahrelang gemacht hat, ist man fest überzeugt, zu wissen, wie die Mitarbeiter sich fühlen.
Das ist ein Irrglaube. Je seltener wir eine Tätigkeit ausüben, desto mehr vergisst unser Körper die damit verbundenen Emotionen. Er vergisst Schmerz und Anstrengung, aber auch Euphorie oder Freude, die mit der Tätigkeit verbunden sind. Was bleibt, ist eine Ahnung, wie sich das alles anfühlt.
Eine Ahnung ist aber eben nicht die Realität.

Genau dieses Problem taucht bei meiner Arbeit immer wieder auf. Wenn ich selbst nicht auf der Bühne stehe, aber Gruppen anleite, die eben genau das tun sollen.
Ich selbst muss nicht abends um 20 Uhr nach einem langen Arbeitstag noch anstrengende Übungen machen - ich leite sie an.
Ich vergesse, wieviel Energie und Aufmerksamkeit gefordert ist, wie konzentriert man sein muss. Ich vergesse, wieviel Zeit dieses Hobby fressen kann. Und ich vergesse, warum die Leute trotzdem da sind.

Um genau dem entgegen zu wirken, gibt es seit wenigen Jahren parallel zu meiner Arbeit auch immer ein privates Theaterprojekt. Eines, in das ich all mein kreatives Herzblut stecke, das mich als Spielerin fordert und mich zwingt, in die andere Rolle zu schlüpfen.
Ich erlebe dann wieder, wie sich all das anfühlt, was meine Teilnehmer tun: Vorfreude, Angst, Sorgen, Lampenfieber, Euphorie, Enttäuschung und Glückseligkeit.
Ich erlebe die körperliche Anstrengung, die fehlende Puste, den Muskelkater, die Kälte und die Hitze.
Ich erlebe die Kommunikation mit den anderen, das Brainstorming, die Meinungsverschiedenheiten, die Albernheiten, die gemeinsame Ausgelassenheit und den Teamgeist.

Genau das brauchen wir, wenn wir gute Chefs sein wollen. Wir müssen wissen, wie sich unsere Mitarbeiter fühlen. Wir müssen genau ihre Arbeit immer wieder mal machen. Wir müssen die Arbeitsbedingungen am eigenen Leib erleben.
Nur so sehen wir, wo es hakt.
Nur so merken wir, was fehlt.
Nur so können wir für eine angenehme Arbeitsatmosphäre, Freude an der Arbeit und ein besseres Klima sorgen.
Nur so ist unser Unternehmen oder unser Projekt erfolgreich.

Ich freue mich auf die nächste Probenzeit für mich selbst. Auf das erneute Zusammenkommen mit meinen Mitspielern, mit ihnen auf der Bühne zu stehen. Ich freue mich darauf, innerlich die Augen zu verdrehen, wenn mir irgendjemandes Idee nicht passt. Und noch mehr freue ich mich darauf, genau dann eine neue gemeinsame Lösung zu finden.


Auf die Bühne geht es wieder am 05. November 2016 im Kulturcafé Fincan in Berlin-Kreuzberg. Der Eintritt ist auf Spendenbasis, los geht´s um 20 Uhr.
Wer sich schon vorher anteasern lassen will, den laden wir herzlich am 21. Oktober um 19 Uhr zu unserem Trailer im Rahmen von "Theater á la carte" in der WerkStadt ein, gleich um die Ecke vom Fincan.
Dann heißt es wieder: eins, zwei, drei!

Fotos: "eins, zwei, drei" - ein Live-Hörspiel, http://sarah-bansemer.de/theaterspielen/onstage














































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