Interview mit der Künstlerin Yelka Marada


Yelka in ihrer Theaterperformance
Bereits im August stellte ich die Künstlerin Yelka Marada vor. Nun wurde es Zeit für ein Interview mit ihr, in dem sie über ihre Anfänge in der Schauspielerei und das Fernsehbusiness, über Schamanismus, die Lust am Schreiben und den Prozess des Malens spricht.


Du bist Schauspielerin, schreibst Lyrik, malst und bist Performance-Künstlerin. Wie bist du zu den einzelnen Gebieten gekommen?

Yelka Marada: Oh Gott! Also Lyrik habe ich schon immer geschrieben. Ich hab mit sechs Jahren schon gespielt Ich-werde-Schriftstellerin und hab immer Heftchen vollgeschmiert mit Geschichten, die ich geschrieben hab, kleine Bildchen gemalt und gedacht, ich werde mal große Bücher machen. Leider bis jetzt noch keins veröffentlicht - Hallo Verleger! (lacht).
Das erste, was ich als lyrisches Gedicht bezeichne, habe ich mit 14 Jahren im Latein-Unterricht unter der Schulbank geschrieben. Das war auch hochdramatisch: die Raben auf dem Feld und sterbende Bäume am Wegesrand und so weiter. Dafür hatte ich in Latein später eine 6, aber ich hatte mein erstes Lyrik-Gedicht.
Ich hab immer geschrieben, das hat mich auch am Leben gehalten. Während meiner Schauspielzeit hab ich bei einer antifaschistischen Zeitung geschrieben, die Stadtratte, gegen Faschismus, für Frauen - ich war im Frauen-Ressort. Und ich hab vor vielen Jahren über einen Fernlernkurs eine Autorenausbildung gemacht, wo es dann schon natürlich um Belletristik in erster Linie ging. Das hat mir sehr gut getan. Ich hab momentan einen Ordner voller Lyrik und Kurzgeschichten, was ich als Buch irgendwann herausbringen möchte. Ich hab ein satirisches, spirituelles Buch, was ich in der Kunstschule, in der ich gerade Kunst studiere, mit Illustrationen bearbeite. Und ich habe einen schamanischen Fantasyroman für Kinder geschrieben. Aber die Projekte ruhen immer mal wieder wegen der anderen Kunst.

Yelka während der Schauspielausbildung



Also Lyrik hast du schon als Kind angefangen und es war immer dein Thema. Wie kam dann dein Interesse für die Schauspielerei?


Eigentlich war es so, dass ich das erste Mal auf der Bühne stand, da war ich noch unter zehn, vor 200 Kindern in einem Ferienlager. Das war natürlich alles improvisiert und alle haben sich totgelacht, aber ich dachte "Wow!". Ich bin dann zu meiner Mutter hin und habe gesagt "Mama, ich möchte Schauspielerin werden!". Die hat das ganz anders aufgefasst und hatte Marilyn Monroe im Kopf und Brigitte Bardot (lacht) und hat gleich gedacht: aus der machen wir einen Filmstar. Das hatte gute und schlechte Seiten. Mit 12 Jahren habe ich das erste Mal gemodelt für Reklame und auch als Fotomodell. Man nannte mich "Kindfrau", weil ich immer sehr frühreif aussah. Ich hab dann erst Komparserie gemacht und bin dann mit 14 voll ins Filmgeschäft gekommen, habe bei Alf Brustellin einen Film gedreht - "Der Sturz" - da hab ich eine taubstumme Waldfee gespielt. Alf Brustellin war damals in diesem Autorenteam mit Schlöndorff und Fassbinder. Toller Regisseur, der leider zu früh gestorben ist.
Dann bin ich zu einer großen Agentur in München gekommen. Die waren richtig groß, da ging´s gleich für 1000 Mark Fotos machen, meine Mutter hat Kredite aufgenommen wegen der Fotos. Ich fand das erst mal alles ganz lustig und es kam gleich eine Dreharbeit nach der anderen, ich hatte immer kleine und mittelgroße Rollen, z.B. im Fernseh-Spielfilm "Die Nacht, in der der Chef geschlachtet wurde", das ursprünglich auch ein Theaterstück ist.
Ich war aber teilweise sehr überfordert von den Dreharbeiten.

Yelka auf der Bühne, während der Schauspielausbildung

Inwiefern?

Man muss sich das vorstellen, damals hatte man nicht so ein Jugendschutzgesetz wie heute. Ich hatte oft einen 15- bis 20-Stunden-Tag, von morgens bis nachts, ich wurde mit nichts beschützt - heutzutage sind ja Sozialarbeiter am Set, die auf die Jugendlichen aufpassen. Ich bin aus dem Gymnasium damals rausgeflogen und war jahrelang ohne Schulabschluss. Einerseits habe ich wahnsinnig viel Geld damals verdient, andererseits hat es sehr negative Seiten, wenn man als Jugendliche in so einen Businesskessel hineingeworfen wird.
Mit 16 sollte ich eigentlich eine Hauptrolle in einem Film spielen, habe mir in dem Zeitraum aber die Haare kurz geschnitten, denn ich hatte in London Punks kennengelernt, die fand ich cool. Mein Gott, ich war Jugendliche, ich hatte die Nase voll von diesem Business und dieser Schickeria, ich hatte keine Freunde mehr. Die Rolle habe ich nicht bekommen und die Agentur hat mich rausgeworfen.


Ging es dann noch weiter mit dem Schauspiel?

Dann begann ein ganz langer, anderer Weg, wo ich dann auch Hausbesetzerin war, was ich auch sehr schön finde. Ein ganz kunterbuntes Leben, hab sicher alles probiert.
Und dann bin ich mit Ende 20 auf die Schauspielschule, weil ich dann dachte: Nein, ich will Theater spielen, ich will wirklich Theaterschauspielerin werden, am besten bis hin zum Straßentheater. Ich hab Brecht über alles geliebt und ich hab Schiller geliebt. In der Schauspielschule fing ich einfach wieder an zu leben. Da habe ich erst mal begriffen, was Theater überhaupt heißt, wie nahe Theater geht, wie mich das wandelt, wie ich nicht nur in Rollen reinschlüpfe, sondern wie ich das bin. Meine erste große Rolle war dann die Elektra am Stadttheater Freising, das war schon cool, das waren 600 Leute im Publikum. Dann habe ich ganz viel Off-Theater gemacht und dann war ich zwei Jahre am Münchner Theater für Kinder angestellt. Ich hab dann gemerkt, ich will was anderes. War in einer Frauen-Kabarett-Gruppe, die hat sich aber zerstritten, wir haben nur geprobt, sind aber nie aufgetreten.
Dann bin ich nach ein paar privaten Umwegen nach Berlin gekommen und habe an der Kulturbrauerei Märchentheater für Kinder gemacht.

Yelka während ihrer Schauspielzeit

Das Kindertheater war also immer ein besonderes Steckenpferd, oder?

Ich mache gerne Kindertheater, weil Kinder ein wahnsinnig ehrliches Publikum sind. Wenn denen langweilig ist, sagen die "Mama, ich hab Hunger, ich will nach Hause." Und wenn die dich toll finden, sagen sie "Darf ich dein Kleid anfassen?" oder "Wie bist du geschminkt?". Ich habe viele positive Erfahrungen im Kindertheater gemacht.


Wie ging es dann weiter?

Ich hatte einen Unfall, durch den ich jetzt eine leichte Gehbehinderung habe, und konnte dann nicht mehr auf die professionelle Theaterbühne. Das war natürlich erst mal ein riesen Drama, in der Zeit habe ich auch mit Malen angefangen. Aber ich habe dann ein Theaterstück geschrieben - Hexenmamas Märchenküche - und hab das mit Schauspielerschülern von der Filmschauspielschule im Berliner Tschechow-Theater inszeniert.
Da habe ich auch ein Buch geschrieben, über die Praxis des Kindertheaters - von der ersten Theateridee bis zur Aufführung - und habe sehr gute Kritiken von Verlagen bekommen, aber es passte nie in deren Repertoire. Noch einmal: hallo Verleger!


Du hast eben schon erwähnt, dass du in dem Zeitraum mit dem Malen begonnen hast. Wie kam es dazu?

Durch den Unfall musste ich anderthalb Jahre am Stock laufen und eine Rückenstütze tragen, es war echt die Hölle. Ich hab mich aufgegeben. Dann hat mir eine Freundin eine Leinwand geschenkt - in meinem Freundeskreis waren immer Künstler - und ich habe angefangen, Collagen zu machen, mit Acryl.
Yelkas Kunst
So habe ich Geschmack gefunden am Malen. Frida Kahlo war mein Idol, weil es mich so beeindruckt hat, wie sie diesen Gips um ihren Körper hatte und trotzdem gemalt hat. Ich hab mir dann eine Leinwand nach der anderen geholt und gemalt, immer Collagen, anfangs noch mit Lyrik, bis Künstlerfreunde sagten, das brauche ich nicht, man muss ein Bild nicht verstehen.
Dann hatte ich eine heftige Liebesgeschichte mit einem Künstler und bin in eine Art Konkurrenz mit ihm gegangen, ich musste ihm zeigen, was für eine tolle Künstlerin ich bin. Aber das Schauspiel hatte ich ja nicht mehr und die Bücher waren nicht veröffentlicht, das war so schlimm für mich. Also fing ich an, mehr zu malen und immer mehr bis ich eine Künstlermappe hatte und eine Künstlergruppe besuchte.
Als die Beziehung dann sehr schmerzhaft endete, dachte ich: entweder bring ich mich jetzt um oder ich werde totale Künstlerin. Ich habe dann im Internet eine Kunstschule gefunden und dort angerufen und wurde sofort zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Und die waren so nett und haben sich meine Mappe angeschaut und gesagt: "Technik kann man lernen.". Ich hab das anfangs gar nicht verstanden, jetzt weiß ich es. Die haben schon irgendwas gesehen in meinen Bildern.
Ich bin jetzt zwar noch ganz am Anfang, aber ich merke: die Leinwand ist für mich auch eine Bühne. Das bin ich. Wenn ich male, dann komme ich in einen Flow, in Meditation.


Lyrik, Schauspiel, Malerei - und jetzt Performance. Wie bist du dazu gekommen?

Ich wollte immer mit meiner Lyrik nach außen gehen, aber mein Buch-Manuskript ist noch nicht fertig, Ich wollte die Texte auch nicht einfach nur im Internet veröffentlichen. Und ich habe gemerkt, dass mir trotzdem natürlich die Theaterbühne fehlt. Dann hab ich das für mich entwickelt, dass ich meine Lyrik irgendwie mit Theater darstellen will und hätte das auch noch gar nicht Performance genannt. Ich wollte es auch mit anderen Theaterszenen verbinden, weil ich dachte, meine Texte allein reichen nicht. Dann habe ich dich bei einem deiner MeetUps kennengelernt und da ist die Idee für die Performance entstanden.

Yelkas Performance
Da ich auch viel in der Kunstwelt unterwegs bin, habe ich mittlerweile schon einige Performance-Künstler gesehen und war teilweise wahnsinnig begeistert, auch wie sie teilweise ohne Sprache performt haben. Allerdings gehört zu meinen Performances die Sprache dazu, ich komme ja von der Sprache, der Lyrik und vom Theater. Ich möchte alles verbinden: das Malen, das Schreiben, das Schamanische und das Theater.

Yelkas Performance

Kannst du zum Thema Schamanismus mehr erzählen?

Im Schamanismus gibt es ganz verschiedene Richtungen, teilweise das keltische, teilweise das indianische. Wobei man mittlerweile eigentlich First Nations oder Native Americans sagt statt "Indianer". Letzteres ist nicht richtig, auch wenn ich es trotzdem noch benutze.
Ich bin schamanische Zeremonie-Leiterin und habe von einem Medizinmann der Blackfoot gelernt. Es geht darum, sich mit den anderen Ebenen des Seins zu verbinden, auch Spirits genannt.
Es geht um Energien, hat aber nichts mit der Esoterik-Szene zu tun. Genauer gesagt geht es darum, sich mit der Natur zu verbinden, denn Mutter Erde ist ein Lebewesen.
Im Schamanismus hat alles eine Seele: Steine, Tiere, Pflanzen, Menschen - alles lebt. Man geht sehr bewusst damit um und kann teilweise auch mit den Seelen sprechen. Aber das ist tiefste Meditation und wenn man den Weg authentisch geht, dauert es Jahrzehnte bis man dahin kommt. Im Endeffekt ist es Meditation mit der Erde. Wir sind alle Kinder der Erde und die Bäume sind unsere Ahnen. Das kann man als Metapher sehen - oder auch ganz direkt.
Über die Umweltverschmutzung muss ich gar nichts weiter sagen, wir wissen es alle. Mutter Erde blutet im Moment, das kann jeder sehen, der hinschaut. Und das ist auch der Grund, warum viele Schamanen, Medizinfrauen und Medizinmänner, jetzt in die westliche Kultur kommen und auch hier Leute ausbilden.


Wie war dein schamanischer Weg? Wie hast du Schamanismus für dich entdeckt?

Ich glaube, ich bin da schon gerufen worden als ich ganz klein war. Mein Großonkel war mit einer traditionellen Indianerin verheiratet, um 1916 ist er nach Amerika rübergegangen und hat dort auch in einem Reservat gelebt, wo er nach 30 Jahren von Weißen erschossen wurde. Und nein, ich habe kein indianisches Blut in mir, aber ich achte die Native Americans sehr.
Meine Großmutter war eher auf dem keltisch-schamanischen Weg. Sie hat in einer Art Datsche am Waldrand gelebt und mich nachts mitgenommen, um Kräuter und Nachtschattengewächse zu sammeln. Ich erinnere mich daran, dass Rehe zu ihr kamen, an Vollmond, wie sie mit mir kleine Hexenlieder gesungen hat. Da war ich noch ganz klein.

Mit 20 Jahren war ich das erste Mal in einer Schwitzhütte, das ist eine traditionell-indianische Heilungszeremonie, und habe bei Devalon Small Legs gelernt. Dann war ich in der Frauenbewegung aktiv und habe angefangen mich für matriarchalen Kult zu interessen. Da bin ich in Frauenkreisen zur Hagazussa geweiht worden.
Später war ich auch in Osho-Kreisen unterwegs und bin durch Indien gereist. Ich war dort 6 Monate krank und lag 4 Tage im Sterben. Ich habe dort eine Ewigkeit gesehen. Sterben ist grausam, Sterben tut weh, aber ich weiß jetzt, es gibt da eine Ewigkeit. Es gibt da eine Energie, etwas, das immer da ist. Sie ist auch jetzt da, wir können es nur nicht wahrnehmen. Seitdem habe ich keine Angst mehr vor dem Tod. Vor dem Sterben ja, das tut weh, aber nicht vor dem Tod. Weil ich weiß, dass ich ewig bin und mich mit allem verbinden kann. Und das ist der Schamanismus - sich total auflösen und mit allem verbinden.
Als ich da so sterbenskrank war, bin ich von meinem damaligen Freund, der auch zu einem Viertel Apache ist, zu einem Medizinmann gebracht worden. Viele Schamanen gehen durch die Krankheit, mit Nahtoderfahrungen und er meinte zu mir: Wow, du musst Medizinfrau werden! Und ich dachte: Um Gottes Willen! Ich wusste, was das für eine schwere Aufgabe ist. Dann wurde ich sieben Jahre ausgebildet in Sonnentanz-Kreisen, vom Medizinmann Devalon Small Legs, und musste viele schamanische Prüfungen in der Wildnis in Slowenien und Ungarn bestehen, bis ich meinen spirituellen schamanischen Namen und die Zeremonien bekam. Viele Leute denken, der schamanische Weg wäre einfach nur Spaß. Aber es ist ein schwerer Weg, wo du immer mit deiner eigenen Angst konfrontiert wirst.
Ich bin nachts wilden Wölfen begegenet. Sie sind um mein Lager geschlichen, in dem ich ganz alleine war. So ein tolles Erlebnis vergisst man nie mehr.

Im Moment gebe ich keine Sessions oder Zeremonien, weil die Kunst so stark ist. Es verbindet sich miteinander und ich weiß auch, dass ich wieder gerufen werde, wenn die ganzen Naturkatastrophen kommen.
Das wichtigste ist: das zu tun, was dir wichtig ist. Nicht gegeneinander zu arbeiten, sondern sich denen zu öffnen, die dir wichtig sind. Die ganzen Kleinkriege, Karriere und Geld - das ist alles unwichtig!
Yelkas Kunst


Welchen Einfluss hat der Schamanismus auf deine Kunst?

Einen sehr unbewussten Einfluss. Ich bin das einfach, ich lebe das und ich male meist Frauen in träumenden Zuständen, das ist mein Inneres. Aber diese verträumten Frauen, die ich male, haben immer ein Leid hinter sich. Sie wachsen daraus. Wenn ich selbst ein gutes Gefühl habe, dann kann ich das auch anderen geben und möchte, dass das auch meine Bilder ausstrahlen. Und ich freue mich, wenn es jemanden erreicht.


Du eröffnest ja bald deine erste Ausstellung. Wann und wo ist sie?

Die ist im Affidamento, einem Frauenzentrum in Neukölln, am Richardplatz. Am 25. Oktober um 19 Uhr ist die Vernissage, mit einer Performance von mir um 20 Uhr. Es gibt einen Sektempfang und man kann meine Bilder anschauen, die ich gemalt habe. Zur Vernissage kann jeder kommen.
Am 26. und 27. Oktober ist dann nur für Frauen geöffnet, da es ja in einem Frauenzentrum ist. Am 26. gibt es um 15 Uhr eine Lesung von mir. Ich freue mich auf euch!


Danke, liebe Yelka, für das Interview und den Einblick in deine Kunst. Ich freue mich auf die Vernissage!

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