"Alice" - Junges DT, Deutsches Theater Berlin

Lewis Carrols "Alice im Wunderland" ist ein Klassiker. Verwirrend, ein bißchen crazy und faszinierend zugleich. Aber ich muss gestehen: ich war nie ein Fan der Geschichte, sowohl des Buches als auch der Verfilmungen.
Dennoch schlug ich genau diesen Klassiker als Stückidee im letzten Gruppendrang-Kurs (Gruppe Spielschauer) und auch bei meiner Gruppe Vorspiel vor. Die Spielschauer waren teilweise sehr angetan und neugierig, allerdings gab es Teilnehmer, die es strikt ablehnten. Auch die Vorspieler hatten keine Lust drauf. Irgendwie verständlich, war ich doch selbst der Story an sich eher abgeneigt. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich die Vermutung, dass es auf der Bühne gut funktionieren könnte.
Und ich hatte Recht!

Das Junge DT im Deutschen Theater Berlin hat sich der Aufgabe gestellt und eine intensive Inszenierung geschaffen - gespielt von 16 jungen bis sehr jungen Menschen.

Während diese pinke Fantasiewelt teilweise die Geschichte nacherzählt, aber viel mehr kindliche Denkweisen und das Großwerden zeigen, erfreue ich mich heimlich diebisch am Entsetzen der Erwachsenen im Saal. Denn von denen gibt es so einige an diesem Abend. Und was dort auf der Bühne gezeigt wird, scheint für viele zu harter Tobak zu sein. Man spürt eine merkwürdige Anspannung. Ich vermisse die Freude am Mut und Spielwahn der Kinder. Aber die Erwachsenen scheinen sich schwer zu tun, wie Kinder zu fühlen. Dabei waren sie doch selbst welche.

Viele klassische Ängste werden getriggert. Ängste, die vielleicht hinterfragenswert sind. Zum Beispiel die Angst vor dem bösen, ekligen, dicken Mann, der kleine Kinder belästigt.
Eine Figur, die von einer überlebensgroßen Puppe dargestellt wird. Die Spieler lenken diesen großen nackten Kerl und hauchen ihm auf sehr amüsante Weise Leben ein - mit Berliner Dialekt. Mehrmals fährt mich die Figur böse an, dass ich aufhören soll, zu lachen. Ich muss noch mehr lachen - er ist einfach zu gut gespielt.
Außer mir lacht fast niemand. Vielleicht ist diese Inkarnation von Belästigung zu schlimm. Ist es das, was das Publikum so stumm sein lässt?
Und ist es nicht die Angst der Erwachsenen? Die Kinder ekeln sich auf der Bühne vor ihm, sie geben dem Ausdruck, aber es ist ein anderer Ekel. Ein unmittelbarer, viel simplerer. Ein Ekel, der nicht über Folgen nachdenkt, der nicht interpretiert, der nicht ahnt.
Und das liebe ich an dieser Inszenierung. Sie provoziert. Aber sie provoziert nur, weil wir Erwachsenen es als Provokation wahrnehmen. Für die Kinder ist es das nicht.
Für die Kinder ist es vor allem eins: ein großer Spaß! Sie wirbeln über die Bühne, sie durchdringen permanent die vierte Wand zum Publikum. Sie haben Macht, fordern uns zum Aufstehen und Wiederhinsetzen auf, die Königin startet ein Kreuzverhör. Und die Spieler genießen es. Wann haben sie sonst diese Macht über Erwachsene?
Ich war im Geiste mehr ein Teil dieser Gruppe junger Menschen, ich wurde angesteckt und in diese Welt gezogen. Die blöden Erwachsenen da draußen konnten mir gestohlen bleiben. So lobe ich mir das!

Leider war es die letzte Aufführung, aber für alle Neugierigen gibt es hier noch einen Trailer.


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